Der Gazastreifen leidet seit Jahren an Wassermangel. Während einer Geberkonferenz (20.3.) sagte die EU nun ihre Beteiligung am Bau einer Meerwasserentsalzungsanlage zu, um eine humanitäre Krise zu verhindern. Dieses bisher größte Infrastrukturprojekt im Gazastreifen kostet fast eine halbe Milliarde Euro. Ob es Erfolg hat, ist laut Experten nicht sicher, denn es warten weitere Probleme.
Man sieht sie überall in Gaza Stadt. Vor allem auf Dächern. Große Tanks zum Speichern von Wasser. Denn wenn es einmal da ist – ist es auch schnell wieder weg. Nur alle drei bis fünf Tage bekommen die knapp zwei Millionen Menschen im Gazastreifen für wenige Stunden Wasser aus ihren Leitungen. Gerade genug Zeit, um die Tanks wieder aufzufüllen – mit Wasser, das so verschmutzt ist, dass es weder zum Kochen noch zum Trinken geeignet ist. Trinkwasser müssen die Bewohner Gazas meist abgefüllt kaufen, zum zehnfachen Preis des Leitungswassers.
Die Wasserknappheit ist eines der vorherrschenden Probleme im von Ägypten und Israel weitgehend abgeriegelten Palästinensergebiet. Die Menschen leben dort auf engstem Raum und sind auf Wasserlieferungen von außen angewiesen. Das in Gaza selbst geförderte Trinkwasser überschreitet zu 95 Prozent die WHO-Grenzwerte für Nitrat und/oder Chlorid. Rund 1,5 Millionen Menschen sind in Gaza laut Unicef von wasserinduzierten Krankheiten bedroht. Israel liefert zwar große Mengen Wasser – doch das reicht nicht.
Einsatz für Frischwasser
Für die eigene Versorgung verfügt Gaza nur über zwei funktionierende Meerwasserentsalzungsanlagen, die jeweils lediglich vier Millionen Kubikmeter Wasser bereitstellen können – wegen des akuten Strommangels jedoch selten mit voller Leistung laufen.
Doch nun ist Hoffnung in Sicht. Am Dienstag hat die Europäische Kommission gemeinsam mit der Palästinenserbehörde eine Geberkonferenz in Brüssel abgehalten, an deren Ende die Finanzierung des größten Infrastrukturprojekts in der Geschichte des Gazas steht. Der Küstenstreifen soll eine riesige Meerwasserentsalzungsanlage erhalten, die 55 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich bereitstellen soll. Laut EU-Angaben wird mit der Anlage allein fast ein Drittel des Bedarfs im Küstenstreifen gestillt. 456 Millionen Euro stellen mehrere Geber dafür bereit. Auch Israel unterstützt das Projekt und allein die EU beteiligt sich mit mehr als 70 Millionen Euro.
Johannes Hahn, österreichischer EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen sagte im Rahmen der Konferenz: „Dieses Projekt wird die dringendsten Wasserprobleme in Gaza angehen, Trinkwasser bereitstellen und zu Wirtschaftswachstum, ökologischer Nachhaltigkeit und Stabilität beitragen.“ Der palästinensische Premier Rami Hamdallah ergänzte: „Dieses Projekt wird zur politischen Stabilität in der Region beitragen, weil Wasserknappheit schreckliche Auswirkungen hat und Spannungen verstärken kann.“
Experten: Finanzielle Investitionen reichen nicht aus
Dennoch zweifeln Experten, ob eine so große Anlage in Gaza überhaupt dauerhaft betrieben werden könnte. Der Energiebedarf ist groß – und in Gaza gibt es nur wenige Stunden am Tag Strom. Eine Anlage in der von der EU geplanten Größe wäre zudem technisch anspruchsvoll und benötigt technisch geschultes Personal vor Ort. Das trifft auch auf die Beschaffung von Ersatzteilen zu. Gerade die dürften wegen der Abriegelung Gazas durch Israel und Ägypten nicht immer ad hoc verfügbar sein.
Mit der neuen Anlage wäre zunächst auch nur das Problem der Frischwasserversorgung gelöst, warnen Experten. Gaza hat aber ebenso große Probleme mit verbrauchtem Wasser. Täglich fließen 100.000 Kubikmeter Abwasser wenig oder kaum geklärt ins Meer. Die Gewässer sind kontaminiert –viele Bewohner Gazas trauen sich nur mit Gummistiefeln an den Strand. Das Schwimmen im Meer ist lebensgefährlich, das Grundwasser ist verseucht. Die vorhandenen Kläranlagen arbeiten unzureichend. Oft fehlen Ersatzteile und auch die Anlagen laufen nur, wenn es Strom gibt.
Die neue Meerwasserentsalzungsanlage ist ein wichtiger Schritt für die humanitäre Situation im Gaza – die Lösung des Abwasserproblems wäre ein notwendiger, nächster.