Die zuständigen Ministerinnen und Minister der EU-Staaten haben sich am Donnerstag auf eine auf vier Jahre angelegte „Brexit-Anpassungsreserve“ (Brexit Adjustment Reserve) geeinigt. Der Fonds soll Unternehmen helfen, Verluste und zusätzliche Kosten zu decken, die durch das neue Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit entstehen.
Der fünf Milliarden Euro schwere Fonds, der als Teil des siebenjährigen Haushaltsrahmens der EU vereinbart wurde, deckt den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 31. Dezember 2023 ab.
Gemäß der von den nationalen Regierungen eingenommenen Position werden die fünf Milliarden vorläufig bereits im Voraus zugewiesen. Die jeweiligen Anteile der Mitgliedstaaten werden durch Faktoren wie den Wert des in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Großbritanniens gefangenen Fischs, den Umfang des Handels mit dem Vereinigten Königreich und die Bevölkerungsgröße der Regionen, die an britische Gewässer grenzen, bestimmt.
Die Liste der förderfähigen Programme, für die die Mitgliedsstaaten das Geld ausgeben können, umfasst Unterstützung für Unternehmen und Fischereigemeinden, Kurzarbeits- und Umschulungsprogramme, Grenz-, Zoll-, Gesundheits- und Pflanzenschutzkontrollen, die Erhebung indirekter Steuern und die „Re-Integration“ von Menschen aus EU-Staaten, die das Vereinigte Königreich aufgrund des EU-Austritts des Landes verlassen haben.
Besonders profitieren von dem Fonds dürfte Irland: Da das Vereinigte Königreich Irlands größter Handelspartner bei Lebensmitteln ist, erhält Dublin mehr als eine Milliarde Euro. Es folgen die Niederlande mit 757 Millionen, Deutschland mit 455 Millionen und Frankreich mit 420 Millionen Euro.
Fischerei & Handel
Es ist zu erwarten, dass insbesondere der Fischereisektor vom neuen Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich stark betroffen sein wird. Im Rahmen des von beiden Seiten erzielten Kompromisses hatte die EU zugestimmt, 25 Prozent der von EU-Schiffen in britischen Gewässern gefangenen Fischquoten über einen fünfeinhalbjährigen Anpassungszeitraum hinweg aufzugeben.
Der französische Europaminister Clément Beaune hat London derweil vorgeworfen, die Fischereirechte für die Fischer seines Landes zu blockieren und warnte, dass die EU darauf vorbereitet sein sollte, mit Gegenmaßnahmen zu reagieren. Gegebenenfalls müsse man beispielsweise den Zugang zu den europäischen Finanzdienstleistungsmärkten einschränken, falls der Streit andauern sollte.
Die britische Regierung hat ihrerseits eine Reihe von Unterstützungsprogrammen für ihre Unternehmen eingeführt.
Am Dienstag hatten die EU-Parlamentsabgeordneten formell das Handelsabkommen ratifiziert, das nun die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem UK und der EU regelt und einen zoll- und quotenfreien Warenhandel beinhaltet.
Allerdings wirkt sich das Handels- und Kooperationsabkommen bereits jetzt negativ auf die Handelsströme aus. Anfang dieser Woche meldete die UK Food and Drink Federation einen Rückgang der Verkäufe in die EU um 40,9 Prozent im Vergleich zum Februar 2020: „Während sich die britischen Lebensmittel- und Getränkeexporte in die EU von einem 76-prozentigen Rückgang im Januar immerhin etwas verbessert haben, sind sie im Februar 2021 immer noch um fast 41 Prozent niedriger als im Vorjahr,“ erklärte Dominic Goudie, der beim Verband für internationalen Handel zuständig ist.
„Auch die Exporte in unseren größten Markt, Irland, sind um mehr als zwei Drittel zurückgegangen,“ fügte er hinzu.
Auf EU-Seite hofft man nun, noch vor der Sommerpause eine Einigung zwischen EU-Rat und Parlament über den neuen Fonds zu erzielen. Die ersten Zahlungen sollen dann vor Ende des Jahres erfolgen.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]