Nach einer Woche mit zahlreichen Verhandlungen in Georgien kehrt der Sondergesandte des EU-Ratspräsidenten Charles Michel mit leeren Händen nach Brüssel zurück. Er hatte erfolglos versucht, Lösungen für die politische Pattsituation im Kaukasusland zu vermitteln.
Georgiens politische Krise eskalierte im vergangenen Monat, als die Polizei die Parteibüros des Oppositionsführers Nika Melia stürmte und ihn festnahm. Damit verschärften sich bereits zuvor bestehende Konflikte. Der damalige Ministerpräsident Giorgi Gacharia sah sich zum Rücktritt veranlasst; fünf Tage später wurde Irakli Garibaschwili zu seinem Nachfolger ernannt. Doch die Spannungen bleiben bestehen.
Auf einer Pressekonferenz nach einer fast zehnstündigen Verhandlungsrunde sagte Michels Gesandter Christian Danielsson am Donnerstag in Tiflis, es gebe zwischen den Parteien in einigen Fragen zwar Einigkeit, zeitgleich aber auch diverse Themen, bei denen kein Konsens erreicht werden konnte. Es liege nun weiter an den georgischen Parteiführern, „einen Weg aus der politischen Krise zu finden“, sagte Danielsson laut der lokalen Nachrichtenplattform Jam News.
Die georgischen Regierungs- und die Oppositionsparteien warfen sich indes gegenseitig vor, Verantwortung für das Scheitern der Gespräche zu tragen.
Nachdem er seinen Aufenthalt in Tiflis bereits verlängert hatte, um eine Lösung zu finden, muss Danielsson nun mit leeren Händen nach Brüssel zurückreisen. Er wird dort seinem Chef Michel Bericht erstatten. Der Vorsitzende des Europäischen Rates, der die EU-Mitgliedsstaaten vertritt, hatte bei einem eigenen Besuch in Georgien Anfang des Monats überraschend verkündet, es sei „an der Zeit, von der Vermittlung zur Mediation überzugehen“, und eine Reihe von Treffen zwischen der Opposition und der regierenden Partei Georgischer Traum einzuleiten.
Er schlug den Parteien fünf konkrete Punkte vor: Justizreform, Wahlreform, eine Entpolitisierung der Justiz, zukünftige Wahlprozesse und die Machtteilung im Parlament.
Die umstrittene Frage nach vorgezogenen Neuwahlen, die von der Opposition gefordert und vom Georgischen Traum abgelehnt wird, war Berichten zufolge eines der wichtigsten Hindernisse bei den Verhandlungen. Die EU vertritt ihrerseits offiziell den Standpunkt, dass die Parlamentswahlen im vergangenen Herbst „weitgehend wettbewerbsfähig waren und dass insgesamt die Grundfreiheiten respektiert wurden“.
Sorge bei EU und NATO
Die Verhandlungen in Georgien kamen trotz des persönlichen Engagements von Michel und auch eines Besuchs von Interims-Premierminister Garibaschwili Anfang der Woche in Brüssel nicht voran. Michel traf Garibaschwili innerhalb von zwei Tagen mehrmals, konnte aber ebenfalls erneut keine greifbaren Fortschritte erzielen.
„Jetzt ist es an der Zeit, dass sich alle politischen Akteure konstruktiv einbringen und Lösungen finden. Die Zeit ist knapp und das georgische Volk kann sich einen weitergehenden politischen Konflikt nicht leisten,“ warnte ein EU-Beamter am Donnerstag. „Die politische Energie muss vor allem auf die Bekämpfung der Pandemie und ihrer sozioökonomischen Folgen sowie auf die demokratische Konsolidierung in dieser geostrategisch komplexen Region gerichtet werden,“ fügte er hinzu.
Am Mittwoch äußerte auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg seine Besorgnis über die Ereignisse in Georgien, das dem transatlantischen Militärbündnis gerne beitreten möchte. Es sei „absolut notwendig, einen Weg zur Lösung der Differenzen zu finden, damit Georgien die geplanten Reformen fortsetzen kann“, sagte Stoltenberg nach einem Treffen mit Garibaschwili in Brüssel.
[Bearbeitet von Georgi Gotev und Tim Steins]