Der Außenministerinnen und Außenminister der EU-Staaten trafen am Montag mit ihrem US-Kollegen Mike Pompeo zusammen. Einige EU-Vertreter baten darum, die Zusammenarbeit in der Libyen-Frage zu intensivieren.
Zunächst wurde während des Treffens allerdings die Situation im östlichen Mittelmeer zur Sprache gebracht. Die EU sei „zunehmend besorgt über die jüngsten Eskalationen aus der Türkei“, sagte der Hohe Außenvertreter der EU, Josep Borrell, gegenüber der Presse in Brüssel.
„Auf jeden Fall wird die Situation immer schlimmer,“ fügte der spanische Diplomat hinzu. Auf die Frage, ob Pompeo zugestimmt habe, eine „transatlantische Botschaft“ an die Türkei zu senden, erklärte Borrell, die USA würden „die Situation im Mittelmeerraum“ beobachten – allerdings „hauptsächlich in Bezug auf die Situation in Libyen“.
„Die Frage nach unseren Beziehungen zur Türkei“ werde aber vermutlich auf der Tagesordnung beim nächsten Treffen der europäischen Außenministerinnen und Außenminister stehen.
Während die Außenvertreter der EU-Staaten also offenbar noch nicht viel weiter gekommen sind, wollen sich heute die Kolleginnen und Kollegen aus den Verteidigungsministerien den Themen Libyen und Operation Irini widmen.
Die Lage in Libyen wird auch auf der Tagesordnung stehen, wenn die Verteidigungsminister der NATO am Mittwoch Videogespräche führen.
In dieser Hinsicht haben EU-Beamte bereits vorgeschlagen, die EU könne für eine Beteiligung der NATO an der Operation Irini werben.
Irini, NATO und Libyen
Irini, die EU-Marineoperation im Mittelmeer, wurde am 31. März mit dem Ziel eingeleitet, das UN-Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen.
Ein hochrangiger EU-Beamter hatte schon am vergangenen Freitag mitgeteilt, der Block habe sich mit der NATO in Verbindung gesetzt, um zu erörtern, inwieweit man „Vereinbarungen“ mit der Operation Sea Guardian des transatlantischen Militärbündnisses im östlichen Mittelmeer treffen könne.
Dieser Schritt erfolgt nach einem Zwischenfall am Mittwoch vergangener Woche (10. Juni), als ein griechisches Schiff der EU-Operation Irini daran gehindert wurde, einen verdächtigen, unter tansanischer Flagge fahrenden Frachter zu inspizieren – und zwar von einer Marineeskorte des NATO-Mitglieds Türkei. Der Vorfall erregte die Aufmerksamkeit der griechischen Medien, die die gesamte Operation Irini demnach als „Fiasko“ bezeichneten.
Auf Nachfrage von EURACTIV.com unterstrich EU-Sprecher Peter Stano hingegen die Unterstützung für Irini und betonte, diese sei bisher effektiv gewesen. Seit dem Start der Aktion habe es mehr als 75 Gelegenheiten gegeben, bei denen Irini Schiffe inspiziert habe. Das sei auch der Fall beim umstrittenen Manöver am vergangenen Mittwoch gewesen, „als Irini ein Frachtschiff auf hoher See vor der libyschen Küste zur Kontrolle ansteuerte – nach den üblichen Verfahren. Wir führen derzeit weitere Überprüfungen mit den zuständigen Behörden durch.“
Stano fügte hinzu, dass die Operation bei anderen Gelegenheiten darüber hinaus Informationen sammeln konnte, an denen weitere Akteure beteiligt waren. Beispielsweise habe man durch Irini einen Versuch, das Ölembargo zu umgehen, vereiteln können.
Dennoch scheint Irini in der täglichen Praxis weitgehend wirkungslos zu sein. Aktuell ist ohnehin nur eine einzige griechische Fregatte vor der libyschen Küste im Einsatz. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass die EU nun die Unterstützung der NATO ersuchen möchte.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP verfügt die NATO-Operation Sea Guardian derzeit über zwei Schiffe, die im Mittelmeer patrouillieren, um den Schiffsverkehr zu überwachen, Terrorismus vorzubeugen und die „Projektstabilität“ in der Region zu gewährleisten. Die NATO-Operation hatte auch Irinis Vorgängerin, die EU-Seemission Sophia, einige Jahre lang mit Informationen und logistischer Unterstützung versorgt.
„Die Bündnispartner erörtern derzeit, wie die NATO die neue Seestreitkräfte-Mission Irini der EU unterstützen könnte,“ bestätigte ein NATO-Beamter. Er bekräftigte: „Es ist wichtig, dass das UN-Waffenembargo vollständig umgesetzt wird.“
Das türkische Interesse in Libyen
Das NATO-Mitglied Türkei hat in der Vergangenheit die Übergangsregierung „Regierung der Nationalen Übereinkunft“ (GNA) von Fayiz as-Sarradsch nachdrücklich unterstützt. Die GNA selbst hatte in den letzten Wochen alle verbliebenen Außenposten im Westen Libyens von den Anhängern des Generals Chalifa Haftar zurückerobert. Letztere hatten in einer 14-monatigen Offensive versucht, die libysche Hauptstadt Tripolis einzunehmen.
Eine offizielle Änderung der NATO-Mission Sea Guardian zur Unterstützung der EU-Operation Irini würde die Zustimmung aller 30 NATO-Mitglieder erfordern – was bedeutet, dass Ankara möglicherweise sein Veto einlegen könnte.
Natürlich wäre es auch höchst ungewöhnlich, wenn die NATO nun gegebenenfalls die Schiffe eines Bündnispartners überwachen würde und kontrollieren müsste.
Beobachter in Athen vermuten, dass Ankara somit in einer kniffligen Lage steckt: Wenn die Türkei ein NATO-Engagement blockiert, würde dies demnach schwer nach einem Eingeständnis Ankaras aussehen, dass man tatsächlich nach wie vor den Waffentransport nach Libyen ermöglicht.
Andererseits hat die Türkei schon früher negativ auf die Embargo-Operation Irini der EU reagiert und diese als „parteiisch“ bezeichnet, da es kein ähnliches Waffenembargo an der südlichen Landgrenze Libyens gibt.
Allgemein wird angenommen, dass die Pro-Haftar-Kämpfer von dort ihre Waffen beziehen, um gegen die GNA ins Feld zu ziehen.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]