Nach seinem gestrigen Besuch in der georgischen Hauptstadt Tiflis teilte EU-Ratspräsident Charles Michel mit, die erreichten Fortschritte in den Gesprächen zwischen der Regierungspartei und der Opposition würden in zwei Wochen gemeinsam bewertet.
Michels Vermittlungsversuch erfolgte vor dem Hintergrund der wachsenden Spannungen in Georgien: Die politischen Parteien dort stecken derzeit in einer sich vertiefenden politischen Krise, die die ehemalige Sowjetrepublik von ihrem „europäischen Weg“ abzubringen droht.
„Es ist kein Geheimnis: Für die Stärkung und Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und Georgien ist es entscheidend, diese politische Krise zu lösen,“ machte Michel nach dem von ihm initiierten Treffen zwischen der Regierungspartei Georgischer Traum und der Opposition am späten Montagabend deutlich.
Der politische Dialog im Land sei „wieder in Gang gekommen“, verkündete Michel nach den Gesprächen. Er fügte hinzu, dies sei „ein guter Schritt in die richtige Richtung“. Allerdings mahnte der Belgier auch zu Vorsicht: „Ich bin nicht naiv. Es ist eine schwierige und komplexe Situation, die erfordert, dass alle politischen Akteure in den kommenden Wochen mutig sein müssen, um Fortschritte zu machen.“
Michel kündigte an, dass beim Assoziationsrat EU-Georgien am 15. März eine Bilanz der dann erzielten Fortschritte gezogen werden soll.
Zu den Themen, die bis dahin besprochen werden sollten, gehören Berichten zufolge „alle strittigen Fragen“, einschließlich der Wahl- und Justizreform, der Auseinandersetzung mit einer politisierten Justiz und politisch motivierten Festnahmen, der Machtteilung im Parlament und der Frage nach künftigen Wahlen und Wahlprozessen.
Politische Krise in Georgien
Georgien befindet sich aktuell in einer tiefen politischen Krise, nachdem die Polizei am 23. Februar ein Büro des Oppositionsführers Nika Melia gestürmt und ihn festgenommen hatte.
Dadurch verschärften sich bereits zuvor schwelende politische Konflikte. Der bisherige Premierminister Giorgi Gacharia sah sich angesichts des Polizei-Vorgehens gegen die Opposition zum Rücktritt veranlasst.
Melia, der Vorsitzende der konservativen Partei Vereinte Nationale Bewegung (UNM), wird beschuldigt, bei Straßenprotesten im Juni 2019 zu Gewalt aufgerufen zu haben. Er selbst weist die Vorwürfe als „politisch motiviert“ zurück. Seine und andere Oppositionsparteien fordern seitdem Neuwahlen und die Freilassung der ihrer Ansicht nach „politischen Gefangenen“.
Auf Nachfrage, ob er konkrete Erwartungen an die nun folgenden Verhandlungen habe, sagte Michel, er wolle „nicht per Presse verhandeln.“ Er deutete jedoch an, dass „politische Innovation“ nötig sein dürfte, um eine Lösung zu finden: „Ich denke, wenn wir mit einer politischen Krise konfrontiert sind, wenn die Situation derart komplex ist, ist es auch wichtig, bereit und innovativ zu sein, um eine gemeinsame Basis zu finden.“
Es liege jetzt „in der Verantwortung der politischen Akteure in diesem Land, zu verhandeln und einen politischen Dialog zu führen. Wir als EU sind bereit, eine Vermittlerrolle zu spielen und alle positiven Bemühungen zu unterstützen,“ so der Ratspräsident weiter.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]