Die EU-Staaten sind sich weiter uneinig über den Zugang zu EU-Fördergeldern für die Verteidigungsindustrie. Die flexiblen Kriterien für Mittel an ausländische Unternehmen und Staaten zeigen ein unklares Bekenntnis für die Rüstungsbranche.
Die erste geänderte Fassung des Europäischen Programms für die Verteidigungsindustrie (EDIP), die Euractiv vorliegt, zeigt weniger strenge Regeln für die Qualifizierung für EU-Subventionen. Damit sind sogenannte „Förderkriterien“ für Projekte von Unternehmen oder gemeinsame Beschaffungsangebote von EU-Staaten gemeint.
Die angedachte Lockerung der Kriterien, soll es in Zukunft ermöglichen, kurzfristig oder bei dringendem Bedarf Flexibilität anzuwenden. Die strenge Auslegung der Bedingungen wird als besonders heikel angesehen, da sie festlegen wird, wie und ob EU-Mittel an ausländische Industrien gehen könnten.
Diesen rätselhaften Regeln und Ausnahmeregelungen gingen intensive Diskussionen zwischen Experten aus den Mitgliedstaaten voraus. Botschafter der nationalen Regierungen mussten konsultiert werden, um eine Einigung über eine allgemeine Position zu erzielen. Bei ihrem Treffen unterstützten sie den flexibleren Ansatz, der auf dem Tisch lag.
Dies eröffnete Möglichkeiten, die gemeinsame Beschaffung von Produkten, die von ausländischen Unternehmen hergestellt wurden oder einen großen Anteil an ausländischen Komponenten enthielten, trotz des Widerstands aus Paris zu finanzieren.
Obwohl der Text die Sicherheit und Verteidigung der EU-Staaten betrifft, basiert er technisch gesehen auf einer Binnenmarktperspektive. Für diese ist nur eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, was letztlich die Franzosen ins Abseits drängen könnte.
Die belgische Ratspräsidentschaft beschrieb im Sommer an ihre ungarischen Nachfolger den schwierigsten Teil der Verhandlungen: „Während über das allgemeine Ziel des EDIP Einigkeit bestand“ – Stärkung der Verteidigungs- und Technologieindustrie, Erhöhung der Produktionskapazitäten und Verringerung strategischer Abhängigkeiten – „bestanden weiterhin wichtige Nuancen hinsichtlich des Weges zu diesem Ziel und des Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Teilzielen.“
„Ein Gleichgewicht zwischen den drei Zielen zu finden“, so die Belgier in einem Bericht, der Euractiv vorliegt, sei „die größte Herausforderung“.
Die gleiche Debatte findet unter den größten Industrievertretern des Kontinents statt. Fast 30 Unternehmen – allerdings keine französischen – schlugen eigene Kriterien für die europäische Verteidigungsindustrie vor.
Da der Großteil des Textes noch diskutiert werden muss und Paris die aktuelle Definition der Kriterien ablehnt, ist keine Einigung endgültig, bis der gesamte Text überarbeitet wurde, wie Euractiv berichtete.
Um die Diskussionen voranzutreiben, schloss die belgische Ratspräsidentschaft die Debatte über die ersten beiden Kapitel des Textes vor der Sommerpause informell ab. Seitdem haben Experten aus EU-Staaten bestimmte Themen überprüft, die Lieferketten aus Sicherheitsgründen überwacht und juristische Personen für die gemeinsame Beschaffung mit dem Namen „Struktur des Europäischen Rüstungsprogramms (SEAP)“ eingerichtet.
Umstrittene Bedenken hinsichtlich des Ausschusses für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich werden vermutlich noch in zukünftigen Sitzungen behandelt. Im Entwurf vom Juli wurden die Erwähnungen des Gremiums gestrichen. Es stößt auf heftigen Widerstand der EU-Staaten, was die Rolle der Kommission bei der Überwachung der Lieferketten und der Vermittlung zwischen „Angebot“ und „Nachfrage“ betrifft.
Kriterien im Tetris-Stil
Laut dem geänderten Text, den Euractiv gelesen hat, haben die Mitgliedstaaten nicht nur Regeln ergänzt. Hinzu kamen auch Ausnahmen, die festlegen, ob ein Unternehmen oder ein Staat EU-Mittel erhalten kann.
Es heißt auch, dass Unternehmen, die Fördermittel erhalten, um beispielsweise die Produktionskapazität zu erhöhen, ihre Geschäftsführungsstrukturen in der EU oder Norwegen ansiedeln müssen, um als europäisches Unternehmen zu gelten. Es wird jedoch auch nur klargestellt, dass Infrastrukturen, Einrichtungen, Vermögenswerte und Ressourcen im Ausland keine Mittel erhalten dürfen.
Daher können unter bestimmten Bedingungen Mittel an Unternehmen gehen, die in Europa ansässig sind, aber von Drittstaaten kontrolliert werden. Beispielsweise auch die USA oder wenn ein US-Unternehmen eine Fabrik in Europa besitzt.
Eine Bedingung davon ist, dass der Besitz an geistigem Eigentum, das aus dem Produktionsanlauf stammt, keinen Beschränkungen durch Drittstaaten oder deren Unternehmen unterliegen darf. Des Weiteren darf es nicht ohne Genehmigung übertragen werden.
Für Produkte, die die Mitgliedstaaten gemeinsam beschaffen wollen, dürfen „die Kosten für Komponenten mit Ursprung in der Union oder Norwegen nicht weniger als 65 Prozent des geschätzten Wertes des gekauften Endprodukts betragen“, wenn sie Zugang zu EU-Mitteln erhalten wollen.
Da für ausländische Komponenten – seien es Technologien oder andere Teile der Ausrüstung – häufig Beschränkungen gelten, gilt als Grundregel, dass Produkte Beschränkungen enthalten können, solange sie die Verwendung, den Verkauf oder die Weitergabe des Produkts nicht behindern. Diese Beschränkungen können sich entscheidend auf das Schlachtfeld und die Freiheit der Staaten auswirken, ihre eigene Ausrüstung zu verwenden, wie der Krieg in der Ukraine gezeigt hat.
Eine Ausnahme von dieser Regel gilt jedoch in Fällen, in denen ein „dringender Bedarf“ besteht, ein Produkt mit Unterstützung von EU-Mitteln zu beschaffen. Dies gilt ebenfalls, wenn die Vermögenswerte bereits vor Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2025 verwendet wurden.
Im Laufe der Verhandlungen fügten die Mitgliedstaaten hinzu, dass die EU den Austausch von Komponenten, die Beschränkungen unterliegen, unterstützen könnte. Dies gilt, wenn sie 20 Prozent des Wertes der Endprodukte mit „alternativen, beschränkungsfreien Komponenten mit Ursprung in der Union“ ausmachen. Sie könnten einen um fünf oder zehn Prozentpunkte erhöhten Finanzierungssatz erhalten.
Die Diskussionen im Rat werden voraussichtlich noch einige Monate andauern. Die ungarische Präsidentschaft drängt die Experten, vor Jahresende zu einem Abschluss zu kommen, wie drei Personen gegenüber Euractiv erklärten. Sie sagten jedoch alle, dass es unwahrscheinlich sei, dass die EU-Staaten der umstrittenen ungarischen Präsidentschaft diesen Sieg bescheren werden.
[Bearbeitet von Rajnish Singh/Kjeld Neubert]