Die EU hat am Mittwoch ein Unterstützungspaket im Wert von insgesamt 15,6 Milliarden Euro für von der Coronavirus-Pandemie betroffene Entwicklungs- und Schwellenländer vorgestellt. Die Union räumte jedoch ein, dass dies lediglich eine Umschichtung der Mittel darstellt und keine neuen Gelder bereitgestellt werden.
Nach dem gestrigen Treffen der EU-EntwicklungsministerInnen sagte der Hohe Außenvertreter der Union, Josep Borrell, das EU-Programm für eine globale Antwort auf COVID-19 werde dazu beitragen, die „schlimmste Krise seit Jahrzehnten“ zu bekämpfen.
Das Programm soll direkte Budgethilfen, Darlehen und Garantien der Europäischen Investitionsbank sowie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung kombinieren.
Borrell bestätigte jedoch umgehend, dass „der Großteil der Mittel aus der Neuausrichtung bestehender Fonds und Programme“ stammen soll. Anders gesagt hieße das: „Es gibt kein neues Geld.“
Der spanische Diplomat fügte allerdings hinzu, er hoffe, dass das Paket mit weiteren Beiträgen der EIB, der EBWE und der Mitgliedsstaaten auf mehr als 20 Milliarden Euro aufgestockt werden könne.
Demnach seien rund 502 Millionen Euro für die sofortige und kurzfristige Nothilfe vorgesehen, während 2,8 Milliarden für die Unterstützung von Forschung, Gesundheits- sowie Wassersystemen in den Partnerländern sowie 12,28 Milliarden für die Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronavirus-Pandemie verwendet werden sollen.
Niemand bekommt weniger
31 Prozent der vorgesehenen Mittel sind für afrikanische Staaten bestimmt, darunter 2,06 Milliarden Euro für Subsahara-Afrika und 1,19 Milliarden Euro für die nordafrikanischen EU-Nachbarländer. Weitere 1,42 Milliarden Euro an Kreditgarantien für Subsahara-Afrika und die nordafrikanischen Staaten werden aus dem Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD) kommen.
Rund 3,07 Milliarden Euro werden indes in die osteuropäischen Nachbarländer der Europäischen Union fließen.
„Kein Land wird finanzielle Hilfe oder Unterstützung der Europäischen Union einbüßen,“ versprach Borrell.
Auswirkungen auf Afrika kündigen sich an
Die afrikanischen Länder hatten bisher nicht unter ähnlich hohen Infektionsraten und Todesfallzahlen durch COVID-19 zu leiden wie Europa oder Nordamerika.
Allerdings erreichte die Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle am Mittwoch auf dem gesamten Kontinent 10.000. Die meisten Länder haben strenge Ausgangssperren und „Lockdowns“ verhängt.
Dies dürfte wiederum zu großem wirtschaftlichem Schaden führen. Die zuständigen Finanzministerien der afrikanischen Länder haben daher bereits einen sofortigen Notfall-Wirtschaftsimpuls in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar gefordert. Dieser würde auch einen Erlass der Zinszahlungen beinhalten. Diese werden für 2020 allein auf 44 Milliarden Dollar geschätzt. Nach Ansicht der afrikanischen Ministerinnen und Ministern würde ein solcher Verzicht von Seiten der Gläubiger ihren Regierungen „sofort fiskalischen Spielraum und Liquidität verschaffen“.
Auf den anstehenden Tagungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds am 16. und 17. April könnte ein solches Programm vereinbart werden. Die beiden Institutionen haben sich bereits für einen Schuldenerlass ausgesprochen und erklärt, dass sie sich für die entsprechende Zustimmung der Regierungen einsetzen werden.
Ein weiterer wichtiger Schritt in dieser Hinsicht könnte auf einem Treffen der G20-FinanzministerInnen in der kommenden Woche getan werden.
Borrell erklärte zum Thema Schuldenerlass lediglich, die Entwicklungsministerien der Union hätten dies „heute noch nicht diskutiert. Aber wir als EU unterstützen eine global koordinierte Antwort für ein Schuldenmoratorium für die ärmsten Länder, mit konzessionären Darlehen der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), die darauf abzielen, die Schuldenlast […] zu mindern.“
Vorerst keine neuen Investitionsprogramme in Sicht
Allerdings scheint es von Seiten der EU-Mitgliedstaaten wenig Ambitionen zu geben, neue Finanzinstrumente oder Investitionsprogramme für afrikanische Länder anzubieten: „Es braucht Zeit, um die Auswirkungen der Krise und den dadurch entstehenden Finanzierungsbedarf für jedes IDA-Land besser abzuschätzen und festzulegen, welche Form von Schuldenerlass oder Umschuldung erforderlich ist,“ so die EU-Kommission in einer Stellungnahme am Mittwoch.
Emily Wigens, EU-Direktorin bei der Kampagnenorganisation ONE, kommentierte dazu: „Die Mobilisierung von 15,6 Milliarden Euro zur Unterstützung einer globalen COVID-19-Reaktion ist ein solider Anfang. Aber wenn man bedenkt, dass die EU in den Jahren von 2014 bis 2020 nur 2,6 Milliarden Euro in die Gesundheit investiert hat, zeigt dieses Paket auch, wie viel kostspieliger es ist, auf eine Krise lediglich zu reagieren, anstatt eine solche Krise mit langfristigen Investitionen zu verhindern.“
[Bearbeitet von Tim Steins]