Der EU-Treuhandsfonds für Afrika soll Fluchtursachen bekämpfen. Doch viele EU-Abgeordnete kritisieren das Konzept als undurchsichtig und als bedenkliche Kehrtwende in der Entwicklungspolitik.
„Im Mai und Juni 2017 half der #AfricaTrustFund 2110 gestrandeten Migranten aus Libyen, Mali, Mauretanien und Niger zurückzukehren.“ So verkündete Carla Montesi, Direktorin für Entwicklungskoordination für West- und Zentralafrika in der EU-Kommission, Anfang Juli auf Twitter.
May/June 2017 #AfricaTrustFund helped ???? ???????? ???????? to return from #Libya, #Mali, #Mauritania, #Niger. ➕ℹ️https://t.co/6wwYYaBxhu pic.twitter.com/gVYHno5Aa2
— Carla Montesi (@CarlaMontesi) July 5, 2017
Was sie hier lobte, heißt in der technischen Sprache der EU „besseres Migrationsmanagement“ – eine Strategie, die 2015 auf dem Valetta-Gipfel beschlossen wurde und seitdem aus dem Nothilfe-Treuhandsfonds der EU für Afrika für die Beseitigung von Migrationsursachen finanziert wird. 2,8 Milliarden Euro wurden bereits für entsprechende Projekte bestätigt, 26 Länder sind förderfähig.
Doch von Anfang an sorgte dieser Fonds für viel Unmut . Auch, weil ein Teil der Gelder aus dem DCI kommt, dem größten Entwicklungshilfe-Finanzierungstopf im Haushaltsplan der EU. Dass der Kern des Fonds „in der Praxis Fluchtabwehr“ und nicht Entwicklungszusammenarbeit sei, meint etwa die Grüne Europaabgeordnete Maria Heubuch. Statt strategischer Zusammenarbeit und Partnerschaft auf Augenhöhe stelle die EU nur noch Migration in den Mittelpunkt – und nehme dafür viel Geld in die Hand. Geld, das die EU einzahlt einzahlen soll, aber auch die Mitgliedstaaten. Von ihnen allerdings kamen bisher nur 270 Millionen Euro.
Die Finanzierung sei oft nicht transparent, bemängelt etwa Norbert Neuser (S&D). „Es wäre hilfreich zu wissen, welche Staaten wie viel Geld in den Fonds einzahlen. Dass die unabhängige Evaluierung wirklich funktioniert, ist eine große Sorge etlicher Kritiker, weil die Projektvergabe aus dem Treuhandfonds ein vereinfachtes Verfahren durchläuft , in dem für die Kontextanalyse weniger Zeit vorgesehen ist. Mögliche Folge: Die Risikoabschätzung ist zu ungenau.
Am Mittwoch nun stellte sich darum Kommissionsvertreterin Carla Montesi dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und der Entwicklungsausschuss des EU-Parlamentes, um auf Kritik, Unverständnis und viele Fragen zu dem Nothilfe-Treuhandfonds einzugehen.
Das Parlament wolle wissen, wie das Geld aus dem Fonds verwendet wird, inbesodnere, das es nicht immer umfänglich sein Prüfrecht nutzen könne, hatte die EP-Vorsitzende Linda McAvan gefordert. „Wir bekommen immer erst Bescheid, wenn das Geld schon ausgegeben ist.“
Montesi erklärte: Alle Informationen zur Herkunft und Nutzung der Gelder würden veröffentlicht und ab Oktober auf einer eigens für den Treuhandfonds eingerichteten Website gebündelt werden. Die strategischen Prioritäten lägen in der Verwaltung des Migrationsstroms, weil sich in den Regionen immer noch drei Millionen Vertriebene und Flüchtlinge aufhalten, im Kampf gegen den Menschenhandel, und der Stabilität der Regionen entlang der Migrationsrouten, erklärte sie. Kurzum: „Alle geförderten Initiativen sollen die Ursachen der illegalen Zuwanderung beschränken und Vertriebene und Geflüchtete unterstützen und die Konfliktprävention in besonders armen Regionen stärken.“
Konkret hat der Fonds bislang mit 1,92 Milliarden von insgesamt 2,9 Milliarden Euro 117 Projekte unterstützt in Tschad, dem Horn von Afrika und in der Nord-Sahelzone, 169 Kontrakte wurden schon unterzeichnet. „Wir haben jetzt noch eine Milliarde zur Verfügung“ so Montesi. Diese Projekte sollten schneller beschlossen, schneller umgesetzt werden.
Doch nicht nur die nicht einfach zu durchschauende Vergabe der Gelder bleibt Kritikpunkt. Dass Entwicklungsgelder für solche Ziele verwendet werden, findet der S&D-Abgeordnete Arne Lietz grundsätzlich heikel: „Wir schaffen mit diesem Fonds zwei Paralleluniversen“, kritisierte er am Mittwoch. Er frage sich, ob diese Strategie mit den Entwicklungszielen der Agenda 2013 vereinbar sei.
Auch sein Abgeordnetenkollege Enrique Geuerrero Salom äußerte sich besorgt, dass „der Fokus mehr auf Migration als auf allen anderen Entwicklungsbelangen liegt“.
Unmut blieb offenbar auch nach der Sitzung – und die Meinungen bleiben divergent. In der Diskussion zum Entwicklungshaushalt hatte sich am Mittwoch auch der ÖVP-Abgeordete Paul Rübig geäußert. „Europa sollte sich auf Schwerpunktthemen konzentrieren, wo es bereits gute Erfahrungen gibt, wie Krankenhäuser, oder die Bereitstellung sauberen Wassers und sich besser auf die produktive Ausbildung für junge Menschen und die Unterstützung von Kleinunternehmen, die nicht nur dem Konsum dienen, konzentrieren.“