Boris Johnson hat am Mittwoch seinen ehemaligen Brexit-Chefunterhändler David Frost als Minister ins Regierungskabinett berufen. Frost soll die Rolle eines „Brexit-Durchsetzers“ übernehmen.
Er wird die institutionellen und strategischen Beziehungen des Vereinigten Königreichs mit der EU leiten und die Umsetzung des Handelsabkommens überwachen, das er selbst Ende 2020 mit der EU ausgehandelt hatte.
Zuvor war Frost bereits Berater von Johnson im Außenministerium gewesen, bevor er im Juli 2019 mit den Brexit-Verhandlungen betraut wurde, nachdem Johnson das Amt des Premierministers von Theresa May übernommen hatte.
Frosts kämpferische Herangehensweise an die Verhandlungen hatten oft für Unmut bei seinem EU-Gegenpart Michel Barnier gesorgt. Besonders verärgert hatte Barnier die Frost’sche Bezeichnung der EU als „Ihre Organisation“.
Mit der gestrigen Entscheidung wird Frost nun die Kontrolle über die gesamte Politik in Bezug auf die britischen EU-Beziehungen von Michael Gove übernehmen. Er festigt somit seine Position als einer der Hauptakteure in Johnsons Regierung.
Goves zukünftige Aufgaben werden sich künftig fast ausschließlich auf die britische Innenpolitik konzentrieren. Frost twitterte gestern dazu, er wolle auf der Arbeit seines Vorgängers aufbauen. Gove habe „im vergangenen Jahr in den Gesprächen mit der EU außergewöhnliche Arbeit für dieses Land geleistet.“
Zu Frosts Aufgaben wird des Weiteren „die Arbeit an inländischen Reformen und Regulierungen gehören, um die Chancen zu maximieren, die sich aus dem Brexit ergeben“, beispielsweise in der internationalen Handelspolitik, so das Cabinet Office in einer Erklärung. Darüber hinaus wird er neben dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Maroš Šefčovič der Co-Vorsitzende des Partnerschaftsrats und des Gemeinsamen Ausschusses für das Austrittsabkommen mit der EU sein.
Holpriger Start
Die ersten Wochen mit den neuen Handelsregelungen stellten für viele britische Unternehmen eine steile Lernkurve dar. Mehrere Branchen berichteten von Verzögerungen und Problemen mit der neuen Bürokratie.
Letzte Woche behauptete Frost im britischen Parlament, die Anlaufschwierigkeiten bei der Umsetzung des neuen Handelsabkommens sowie der Streit um die Lieferung von COVID-19-Impfstoffen seien darauf zurückzuführen, dass sich die EU „immer noch ein wenig an die Existenz eines wirklich unabhängigen Akteurs in ihrer Nachbarschaft gewöhnen muss.“
Er räumte weiter ein, dass die Beziehungen mit der EU „mehr als holprig“ sowie teils „problematisch“ gewesen seien, seit das Vereinigte Königreich Ende vergangenen Jahres aus dem EU-Binnenmarkt ausgetreten war.
Neben der Umsetzung des Handelspakts streiten sich das Vereinigte Königreich und die EU außerdem über den Status der diplomatischen EU-Vertretung in London. Die britische Regierung besteht darauf, die EU als internationale Organisation einzustufen – und ihre diplomatischen Gesandten damit auf einer niedrigeren Ebene als diejenigen der Nationalstaaten.
Kritik an Frosts Ernennung
Derweil gab es Kritik von der Opposition an der Ernennung Frosts zum Minister. Grund dafür ist vor allem, dass er nicht zuvor als Abgeordneter ins Parlament gewählt worden war, sondern als Johnsons Vertrauter immer höhere Posten zugeschanzt bekommen habe.
Emily Thornberry, Sprecherin für internationalen Handel der Labour-Partei, kritisierte die Ernennung und beklagte, die Kontrolle über die wichtigen EU-Beziehungen würden damit an „jemanden übergeben, der nie von irgendjemandem in diesem Land gewählt wurde und der im Unterhaus keinem von uns – die ihrerseits nämlich gewählt wurden – Rechenschaft schuldig ist“.
[Bearbeitet von Tim Steins]