Dem UN-Sicherheitsrat wird inmitten der globalen Krisen Ineffektivität vorgeworfen. Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat nun in einem Interview mit Euractivs Partner EFE die Arbeit des Rates verteidigt.
Guterres äußerte sich im Vorfeld der jährlichen hochrangigen Woche der UN-Generalversammlung, die am 24. September in New York beginnt.
Er sagte, es sei „nicht fair“, die Institution anhand der Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrates zu beurteilen. Dieser sei in den vergangenen zwei Jahren nicht in der Lage gewesen, die Kriege in der Ukraine oder im Gazastreifen zu beeinflussen, da geopolitische Spaltungen zu seiner „Lähmung“ geführt hätten.
Guterres sagte, der Sicherheitsrat sei weiterhin „der wichtigste humanitäre Akteur in der Welt“ und die beste Waffe im Kampf gegen Hunger, Naturkatastrophen und Epidemien.
Mit 75 Jahren und nach sieben Jahren als Generalsekretär steht Guterres vor Herausforderungen angesichts des schwindenden Ansehens der Vereinten Nationen. Dies gilt insbesondere für die Vereinigten Staaten, die ein unerschütterlicher Verbündeter Israels sind, und mit Russland und China, darum ringen, einen Konsens in großen und kleinen Konflikten zu finden.
Trotz dieser Herausforderungen betonte Guterres die Schlüsselrolle der Vereinten Nationen bei der Aushandlung von Lösungen für den Klimawandel, die Regulierung der digitalen Welt und die Förderung der nachhaltigen Entwicklung.
Er bezeichnete dies als „die einzige Alternative zum neoliberalen Modell der wirtschaftlichen Entwicklung“. Dies habe sich bei der Lösung globaler Probleme als unwirksam erwiesen, argumentierte er.
Er hob auch ihre „unersetzliche Rolle“ bei der Schaffung von Regelwerken in so unterschiedlichen Bereichen wie Kernenergie, künstliche Intelligenz und geistiges Eigentum hervor.
Aus einer anderen Zeit
In den vergangenen Jahren hat Guterres wiederholt erklärt, dass ein Großteil der politischen Ineffektivität der Vereinten Nationen auf ein Organisationsmodell zurückzuführen sei, das vor 70 Jahren von den Siegern des Zweiten Weltkriegs geschaffen wurde.
Er wies darauf hin, dass dieses Modell für eine Welt geschaffen wurde, die sich stark von der heutigen unterscheide. Eine Welt, in der das moderne Afrika noch nicht entstanden war und Asien noch nicht über die heutige wirtschaftliche und demografische Stärke verfügte.
Guterres äußerte sich besorgt über die Zunahme von Populismus und antidemokratischen Äußerungen. Laut ihm lasse sich diese Entwicklung auf das Versagen der westlichen Demokratien bei der Anpassung an die sich rasch verändernden Kommunikationstechniken zurückführten.
Außerdem beklagte er die zunehmende einwanderungsfeindliche Rhetorik, die weltweit zu beobachten ist, selbst in Staaten mit progressiven Regierungen.
Ohne einen internationalen Konsens, der die Unverzichtbarkeit der Migration anerkennt, und ohne eine Politik, die die reguläre Migration fördert, wird der Personenverkehr zunehmend von Schmugglern kontrolliert werden, warnte Guterres.
Er führt aus, dass ohne eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Zielländern zur Schaffung von Arbeitsplätzen, die Migration als „ein globaler Arbeitsmarkt, der von Menschenhändlern beherrscht wird“, betrachtet werden kann.
Territoriale Integrität ist nicht verhandelbar
Auf die Frage nach Verhandlungen zu einer möglichen Beendigung des russischen Krieges in der Ukraine und, ob ein Ansatz „Frieden für Gebiete“ akzeptabel wäre, lehnte Guterres jegliche Änderung der ukrainischen Grenzen entschieden ab.
Russland hat vier Gebiete im Osten des Landes annektiert, die es durch einseitige Referenden zu legitimieren versuchte.
„Wenn wir das Prinzip der territorialen Integrität aufgeben, wird die Welt im Chaos versinken“, warnte er.
Er verwies auf Europa, wo zahlreiche ethnische Minderheiten ähnliche Konflikte auslösen könnten. Dazu erinnerte an den Irredentismus, eine Ideologie, Gebiete eines anderen Staates oder den Staat selbst dem eigenen Staatsgebiet anzuschließen. Diese Ideologie hat bereits frühere Kriege auf dem Kontinent, insbesondere auf dem Balkan, angeheizt.
Guterres lobte auch die afrikanischen Staatsoberhäupter dafür, dass sie ihre künstlichen Grenzen, die von den Kolonialherren gezogen wurden, aufrechterhalten. Als Ausnahmen räumte er jedoch Gebiete wie die Westsahara, Mali, Eritrea und den Sudan ein.
[Herausgegeben von Alexandra Brzozowski/Alice Taylor-Braçe/Kjeld Neubert]