Die rumänische EU-Ratspräsidentschaft wird sich dafür einsetzen, die Aussichten auf EU-Beitrittsgespräche mit den Westbalkanstaaten Mazedonien und Albanien zu verbessern – allerdings erst nach den Europawahlen im Mai. Das kündigte der Minister für europäische Angelegenheiten des Landes im Gespräch mit EURACTIV an.
George Ciamba, dessen Land am 1. Januar die halbjährlich wechselnde Präsidentschaft von Österreich übernommen hat, betonte auch, eine der Hauptaufgaben der rumänischen Amtszeit werde es nach dem Brexit sein, eine „Botschaft der Einheit“ unter den 27 verbleibenden EU-Staaten zu vermitteln.
Als entscheidend sehe er dafür das Gipfeltreffen in Sibiu/ Hermannstadt (9. Mai) an. Dort müsse diese Einheit demonstriert werden: „Wenn wir dies schaffen, ist das ein gutes Omen für die bevorstehenden Europawahlen.“
EU-Balkan-Erweiterung
Desweiteren stehe die Erweiterung der EU, die seit dem Beitritt Kroatiens im Jahr 2013 kaum vorangeschritten sei, „ganz oben auf unserer Tagesordnung. Wir selbst [also: Rumänien] sind Kinder der Erweiterung; wir wissen sehr genau, welchen Mehrwert die Erweiterung hat“.
Unter Bezugnahme auf vorherige und kommende Ratsvorsitzstaaten erklärte der Minister: „Für uns und Kroatien sowie für Bulgarien und Österreich war und ist dies eine Angelegenheit, die gemeinsam angegangen werden sollte. Die Erweiterung ist Teil unseres gemeinsamen Programms und wir müssen in dieser Hinsicht alle Möglichkeiten nutzen.“
Ciamba warnte jedoch: „Es ist keine einfache Aufgabe. In einigen Mitgliedsstaaten gibt es immer noch politische Missverständnisse und [die anstehenden Europa-] Wahlen helfen in dieser Hinsicht nicht unbedingt. Andererseits gibt es jetzt ein günstiges Zeitfenster, und wir sind bereit, alles zu tun, was nötig ist, um die bestehenden Probleme zu lösen. Dafür werden wir aber auch die Unterstützung der Westbalkanländer benötigen; sie müssen ihre eigenen Reformen durchführen.“
Im ersten Halbjahr 2018 stand die EU-Integration des Westbalkans bereits im Mittelpunkt der bulgarischen Ratspräsidentschaft. Für den darauf folgenden österreichischen EU-Vorsitz war das Thema jedoch von geringerer Bedeutung. Nach Rumänien übernehmen Finnland und dann Kroatien die Führung.
Wichtiges Prespa-Abkommen
Ciamba lobte das sogenannte Prespa-Abkommen, mit dem Skopje und Athen ihren fast 30 Jahre andauernden Namensstreit beilegen wollen. Es sei eine „wichtige Leistung, die nicht verspielt werden darf“.
Man müsse auch den ideologischen Mehrwert des Prespa-Abkommens sehen: Wenn die Einigung auch in Griechenland ratifiziert wird, „werden wir ein deutliches Beispiel dafür haben, was Europa leisten kann. Dies würde die „Soft Power“ Europas unterstreichen, Hoffnung zu geben und die Herzen und den Verstand in beitrittswilligen Ländern zu erreichen.“ Während mit dem Vereinigten Königreich ein Mitgliedsstaat die Union verlassen will, sei es „umso erfrischender, zu sehen, dass so viele Menschen der EU beitreten wollen.“
Sollte das Prespa-Abkommen am heutigen Donnerstag im griechischen Parlament tatsächlich gebilligt werden, wird die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ihren Namen offiziell in „Republik Nordmazedonien“ ändern. Damit dürfte das Land einen großen Schritt in Richtung EU- und NATO-Beitritt machen.
„Wir sollten unsere Anstrengungen jetzt auf das Prespa-Abkommen konzentrieren. Es ist ein wichtiges Symbol und könnte Impulse für andere Probleme geben, die in der Region gelöst werden müssen,“ sagte Ciamba.
Beitrittsgespräche für Mazedonien und Albanien
Von den sechs Westbalkanstaaten, die der EU beitreten wollen, haben bisher nur Montenegro und Serbien tatsächliche Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Albanien sind offizielle Kandidaten, ohne dass ein Datum für die Aufnahme von Gesprächen festgelegt wurde. Bosnien-Herzegowina und Kosovo hinken noch weiter hinterher.
Auf Nachfrage, ob Mazedonien und Albanien in der Lage sein werden, bis Ende dieses Jahres eine konkrete Terminzusage zu erzielen oder sogar Beitrittsgespräche aufzunehmen, antwortete Ciamba: „Das ist es, was wir auf dem Ratstreffen „Allgemeine Angelegenheiten“ im Juni anstreben – natürlich nur, wenn alles nach Plan läuft und auf Kurs bleibt.“
Angesichts der anstehenden EU-Wahlen wollte er sich jedoch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und relativierte: „Die Gefahr besteht darin, dass wir jetzt in der Anfangsphase [des rumänischen Vorsitzes] zu viel sagen, zu viel versprechen. Dies sollte in Anbetracht des EU-Wahlkampfes nicht geschehen. Nach den Wahlen sind wir aber bereit, dieses Thema zu dem Punkt zu machen, den wir als erstes angehen werden.“
Wie schlägt sich die rumänische Ratspräsidentschaft?
Mit Blick auf sein eigenes Land sagte Ciamba, er sei zuversichtlich, dass Rumänien seine EU-Präsidentschaft gut bewältigen werde. Dies werde auch die Chancen auf seinen Beitritt zum passfreien Schengen-Raum der EU erhöhen. Gemeinsam mit Bulgarien hofft Rumänien seit seinem Beitritt vor elf Jahren, dem Gebiet beitreten zu dürfen.
Man sei „fest davon überzeugt“, dass sich eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft Rumäniens auch „positiv auf die Schengen-Frage für Rumänien auswirken wird – ebenso wie für Bulgarien„.
Der Minister unterstrich, Rumänien erfülle die Kriterien für den Beitritt zum Schengen-Raum und verwies darauf, dass dies auch die Meinung der Kommission sei. Wörtlich sagte er: „Wir erfüllen die Kriterien. Wir haben viel investiert. Wir sind uns voll bewusst, dass wir die Außengrenze Europas darstellen; diese muss gestärkt werden. Ich sehe keine anderen Hindernisse als die unterschiedlichen innenpolitischen Vorgänge in diversen Mitgliedsstaaten.“