Europaabgeordnete nahmen am gestrigen Donnerstag an einer Live-Schaltung nach Mogadischu in Somalia teil, um gemeinsam mit der Welternährungsorganisation (FAO) die Allianz „Fight Against Hunger“ zu starten. EURACTIV Brüssel berichtet.
Alle politischen Fraktionen waren bei der zweistündigen Einführungsveranstaltung im EU-Parlament vertreten. Dort machten sie sich daran, an der Umsetzung der ersten beiden nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu arbeiten: erstens, Armut in all ihren Formen zu beenden und zweitens, Hunger auszumerzen und für Ernährungssicherheit zu sorgen. Vor einem Jahr einigte sich die internationale Gemeinschaft im Rahmen der UN auf 17 solcher Ziele. Live via Skype zugeschaltet war Richard Trenchard, ein Vertreter der FAO in Somalia. Er sollte zeigen, welche Fortschritte das Land – eines der Ärmsten der Welt – seit dem Ende des Bürgerkrieges gemacht hat.
Ein gemischtes Bild
Etwa 40 Prozent der Somalier nehmen nur eine Mahlzeit oder weniger am Tag zu sich, so Trenchard. Das seien fünf Millionen von insgesamt 12 Millionen Einwohnern. 70 Prozent der Bevölkerung sind unter 30, weshalb Somalia als jüngstes Land der Welt gilt. Zehn Prozent der Somalier seien noch immer Binnenvertriebene. In mehreren wichtigen Bereichen habe Somalia Rückschritte gemacht. So sei die Lebensmittelproduktion in den 80ern aufgrund des Bürgerkrieges von 1991 bis 2006 doppelt so hoch gewesen wie heute.
Um sich der Herausforderungen anzunehmen, lancierte die Regierung in Mogadischu einen nationalen Drei-Jahres-Plan. Dieser richtet besonderes Augenmerk auf die Wasser- und Energieversorgung sowie auf die 75 Prozent der Erwerbstätigen in der Tierhaltungs- und Ernährungsbranche. Einige Fortschritte habe es laut Trenchard inzwischen tatsächlich gegeben. 2009 hatte das Land noch kein einziges Nutztier exportiert, da ein Verbot wegen Infektionsgefahr aufgestellt worden war. Infolge eines umfassenden Impfprogramms jedoch konnten letztes Jahr 3,5 Millionen Nutztiere ans Ausland verkauft werden.
„Die Menschen brauchen etwas zu Essen im Magen und Geld im Portemonnaie“, so der FAO-Vertreter. Nur wenn man sich auf „die Schnittstelle von Ernährung und Frieden“ konzentriere, könne man Konflikten und Extremismus entgegenwirken. Die Arbeit in Somalia habe die FAO so Einiges gelehrt: von Konflikten weg zu investieren, die Lebensmittelproduktion zu fördern und rechtzeitig einzugreifen. Außerdem müsse man sicherstellen, dass der nationale Entwicklungsplan (NDP) in den Händen der Somalier selbst liege. „Dauerhaften Frieden kann es nur geben, wenn die Bäuche gefüllt sind“, betonte Trenchard den EU-Parlamentariern, NGOs und Politikern gegenüber. Zugegen war auch der stellvertretende FAO-Generaldirektor Rene Castro Salazar.
Eine EU-Abgeordnete verwies in den Gesprächen darauf, es müsse mehr „Kohärenz in der [EU-]Ernährungspolitik“ geben. Sie habe eine Gruppe Milchbauern in Burkina Faso getroffen, die ihr berichtet hätte, dass in ihrem Land Milchpulver aus der EU zu einem Drittel des Preises lokal erzeugter Milch verkauft werde.
Sowohl der somalische Konflikt also auch die jüngsten Unruhen in Burundi hätten mit einer Lebensmittelkrise begonnen, warnte ein afrikanischer Diskussionsteilnehmer.
Hungersnot im Südsudan
Im Laufe der Veranstaltung zur „Fight Against Hunger“-Allianz präsentierte die FAO ihren neuen Bericht über die desaströsen Zustände im Südsudan. Ende Juli 2016 litten dort 4,8 Millionen Menschen Hunger. 2,5 Millionen sind aufgrund des Konflikts mit dem Sudan zu Binnenvertriebenen geworden.
Bis Ende 2016 benötige das Land weitere 28 Millionen Dollar an Hilfsgeldern, um die Dürreperiode zu überstehen und Lebensmittel für 2017 einzulagern, heißt es im Bericht. Dies sei besonders wichtig angesichts der Plünderung eines FAO-Lagerhauses in Juba, bei der Versorgungsgüter im Wert von drei Millionen Dollar verloren gegangen seien.
„2016 hat sich die Ernährungssicherheit im Südsudan alarmierend verschlechtert, vor allem in Regionen, die eigentlich als sicher galten“, warnt der Bericht. „Während die Erntezeit voranschreitet, sind leichte Verbesserungen bei der Ernährungssicherheit zu erwarten. Dennoch hat die Hungersnot noch nie dagewesene Ausmaße angenommen. Tausende Menschen laufen Gefahr, zu verhungern.“