Die EU wird im Juli das Ziel für erneuerbare Energien im unionsweiten Energiemix wohl von derzeit 32 auf 38 bis 40 Prozent bis 2030 anheben. Frankreich, das bereits das für 2020 gesetzte Ziel von 23 Prozent verfehlt hat, dürfte Schwierigkeiten haben, die neuen Vorgaben zu erreichen. EURACTIV Frankreich berichtet.
Frankreich hat Probleme bei der ausreichenden Erzeugung von erneuerbarer Energie: Im vergangenen Jahr 2020 betrug der Anteil am Gesamt-Energiemix lediglich 19,1 Prozent – das im Green Deal der EU auferlegte Ziel sah jedoch 23 Prozent vor.
Der geringe Beitrag der Erneuerbaren ist zum Teil auf die dominante Nutzung der (ebenfalls CO2-emissionsarmen) Kernenergie zurückzuführen, die allein 78 Prozent der französischen Energieproduktion ausmacht.
Inzwischen plant die EU-Kommission offenbar, ihre Ambitionen weiter nach oben zu schrauben: Als Teil des „Fit for 55“-Pakets wird voraussichtlich im Juli bekannt gegeben, dass der Anteil der erneuerbaren Energien im EU-Strommix bis 2030 auf mindestens 38 Prozent erhöht werden soll.
Das bereits hinterherhinkende Frankreich könnte somit noch weiter ins Hintertreffen geraten. Dies gilt vor allem bei der Windkraft, die schlichtweg nicht auf der Höhe der Zeit ist – wie im Fall des Windparks in der Bucht von Saint-Brieuc, der wegen seiner exorbitanten Kosten, seiner Landschaftszerstörung und der möglichen Gefahren für die Artenvielfalt im Meer und an Land stark kritisiert wird.
Der Einsatz von Solarenergie scheint in Frankreich etwas besser voranzukommen. Doch auch die Förderung der Solarkraft steht vor einem größeren Problem, das allerdings alle EU-Staaten gemein haben: Die Produktion von Photovoltaik-Paneelen erfolgt weitgehend in China, das bei der Herstellung Kohle verwendet.
Die CO2-Bilanz sei somit „nicht sonderlich beeindruckend. [Die Paneele] sollten und müssten in Europa hergestellt werden,“ kritisiert Brice Lalonde, Präsident der Organisation Équilibre des Énergies, die sich nach eigenen Angaben für einen ausgewogenen und möglichst CO2-armen Energiemix einsetzt.
Aktuell sind Biomasse und Wasserkraft mit 52,5 Prozent der erneuerbaren Energien in Frankreich am weitesten entwickelt, deutlich vor der Windkraft und der Solarenergie, die lediglich 10,4 beziehungsweise 3,4 Prozent ausmachen.
Mit der EU-Initiative „Fit for 55“ könnten sich die aktuellen Regeln bald ändern: Die Kommission will künftig ein gemeinsames EU-Ziel für 2030 vorgeben, keine einzelnen nationalen Ziele mehr. Außerdem soll es für die Mitgliedsstaaten keine direkten Verpflichtungen, sondern gewisse „Indikatoren“ geben, die vorgelegt werden müssten.
Dies könnte sich als Chance für Frankreich entpuppen: Als führender EU-Produzent könnte es sein riesiges Angebot an Kernenergie als CO2-arme Technologie bewerben und weiter fördern.
Aus Sicht Lalondes ist der Kampf gegen die globale Erwärmung in Europa dementsprechend ohne Atomkraft nicht denkbar: „Wenn das Ziel darin besteht, die Emissionen zu reduzieren, dann sollten wir in der Taxonomie Platz für die Atomkraft schaffen. Wir sollten die Idee akzeptieren, dass [die Atomkraft] im Kampf gegen den Klimawandel mehr oder weniger gleichwertig mit den erneuerbaren Energien ist,“ sagte er und fügte hinzu: „Wir müssen aufhören, aus Prinzip gegen die Atomkraft zu sein. Erneuerbare Energien und Kernkraft sind komplementär. In Europa sollte man sich freuen, Atomstrom zu haben, wenn man ihn braucht – ebenso wie man froh ist, wenn es viel Strom von den Windrädern in Norddeutschland gibt.“
Im Januar hatte auch Barbara Pompili, Frankreichs Ministerin für den ökologischen Übergang, im Interview mit Le Monde erklärt: „Ob nuklear oder erneuerbar, wir müssen mehrere Optionen haben. Wenn wir uns nur auf eine Lösung konzentrieren, werden wir im Falle eines Problems sehr schlecht dastehen. Wir dürfen uns nicht auf eine Art [der CO2-armen Energiegewinnung] versteifen.“
[Bearbeitet von Tim Steins]