Polen hat ein neues Gesetz über die Förderung erneuerbarer Energien. Demnach kommen Besitzer kleiner Anlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt in den Genuss einer festen Einspeisevergütung. Doch laut Umweltexperte Andrzej Ancygier hat der steinige Weg zu diesem Gesetz gezeigt: Die polnische Energiewende steht erst am Scheideweg.
Der Gesichtsausdruck des Parlamentspräsidenten Rados?aw Sikorski nach der Abstimmung über das Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien zeigte, wie unerwartet das Ergebnis für ihn war. Den neuen Regelungen zufolge können Besitzer kleinerer regenerativer Anlagen zum ersten Mal seit den 1990er Jahren von festen Einspeisetarifen profitieren. Der Gesetzestext fand Ende Februar eine Mehrheit in der Sejm, einer der zwei Kammern des polnischen Parlaments. Und das, obwohl es innerhalb der regierenden Partei, der Bürgerplattform (PO), heftige Widerstände gab.
Noch Ende letzten Jahres glaubte kaum jemand an den Erfolg dieser Gesetzänderung. Zwar sah auch ein Gesetzentwurf von 2012 feste Einspeisetarife für kleinere Anlagen vor. Der Entwurf wurde aber später durch einen anderen Entwurf ersetzt.
Demnach konnten Besitzer von Anlagen kleiner als 40 Kilowatt (kW) ihren überschüssigen Strom für 80 Prozent des Börsenpreises ins Netz einspeisen. Das käme de facto einer Subventionierung von großen Energieunternehmen durch die Prosumenten gleich. Später, nach einer heftigen Debatte, wurde dieser Preis auf 100 Prozent des Strombörsenpreises erhöht – umgerechnet weniger als 5 Eurocent je Kilowattstunde.
Spaltung in der Koalition bereits im Januar
Im Dezember 2014 schlug ein Mitglied der Bauernpartei (PSL) eine Gesetzänderung mit festen Einspeisetarifen für Anlagen bis 10 kW vor. Die Vergütung sollte zwischen den Energiequellen unterschieden. Demnach würden die Besitzer von Anlagen bis drei kW installierter Leistung 15 Jahre lang umgerechnet fast 18 Eurocent für jede eingespeiste Kilowattstunde bekommen. Bei Anlagen zwischen drei und zehn kW sollten die Einspeisetarife abhängig von der Energiequelle zwischen elf und 18 Eurocent liegen.
Aber auch die Initiatoren der Änderungen zweifelten daran, dass dieser Vorschlag eine Mehrheit in dem Parlament findet. Sie wollten eigentlich nur ein Zeichen setzen, der Öffentlichkeit klarmachen, dass sie mit der diskriminierenden Regelung für die Prosumenten nicht einverstanden sind. Der Clou daran: Die Polnische Volkspartei, die diese Gesetzesänderung vorgeschlagen hatte, ist Juniorpartner in der regierenden Koalition.
Auch der Wirtschaftsminister Janusz Piechoci?ski musste zwischen Unterstützung für seine Parteikollegen und Regierungstreue wählen. Bei der Abstimmung hat er sich für das Letztere entschieden. Dennoch wurde der finale Gesetzesentwurf mit den Stimmen der Opposition und einigen Mitgliedern der Bauernpartei im Sejm verabschiedet: mit einer knappen Mehrheit von nur 2 Stimmen.
Einspeisetarife gegen Gazprom
Damit hatte die Diskussion aber erst angefangen. Denn die Gesetzesänderung musste noch im Senat verabschiedet werden. Dort hat die Bürgerplattform, die sich davor gegen die Bürgerenergie aussprach, eine absolute Mehrheit. Trotz einer massiven Kampagne zahlreicher NGOs, hat die Regierungspartei die Gesetzänderung und damit die Einspeisetarife abgelehnt und durch einen anderen Vorschlag ersetzt: Anstatt der festen Tarife sollten die Investoren 210 Prozent des Börsenstrompreises erhalten.
Am 20. Februar sollte die erste Kammer des Polnischen Parlaments endgültig über das Erneuerbare Energien Gesetz entscheiden. Dieses Mal wurde aber eine absolute Mehrheit der Stimmen benötigt um Senatsänderungen abzulehnen und zur ursprünglichen Gesetzänderung mit den festen, differenzierten Einspeisetarifen zurückzukehren.
Die Abstimmung im Parlament wurde mit großer Spannung erwartet. Einen Tag zuvor warben Greenpeace und WWF in den größten polnischen Zeitungen für die Ablehnung der Senatsänderungen und damit für die Einspeisetarife wie sie im Januar mit der knappen Mehrheit verabschiedet wurden. Am Morgen der Entscheidung warnte der populäre Journalist Jacek ?akowski in einer Presseschau eines reichweitenstarken Radiosenders, die Entscheidung gegen die Einspeisetarife wäre eine Entscheidung gegen Energieunabhängigkeit und daher für den russischen Gaskonzern Gazprom. Dieses Argument wurde auch während der Debatte im Parlament zitiert.
Dieses Mal war Parlamentspräsident Sikorski anscheinend auf alle Eventualitäten vorbereitet und las die Ergebnisse der Abstimmung ohne zu zögern vor: Mit 227 Stimmen haben die Sejm-Mitglieder gegen die Senatsänderungen abgestimmt und damit ihre ursprüngliche Entscheidung für die Einspeisetarife wiederhergestellt. Auch Wirtschaftsminister Piechoci?ski stimmte dieses Mal genauso wie alle anderen Mitglieder seiner Bauernpartei ab. Die Bürgerplattform blieb bei ihrer Ablehnung zur Bürgerenergie allein.
Polnische Energiepolitik am Scheideweg
Die Verabschiedung der Einspeisetarife bedeutet eine Kehrtwende in der polnischen Energiepolitik. Zwar wird die gesamte Kapazität der Anlagen, die von den Einspeisetarifen profitieren können, auf maximal 800 MW beschränkt, es wird aber erwartet, das aufgrund der Begrenzung auf 10 kW und besseren Konditionen für die Anlagen bis 3 kW, mindestens 200.000 Prosumenten in Polen davon profitieren werden können. Damit würde die Bürgerenergie zu einem Massenphänomen werden, wie es in vielen anderen Ländern schon passiert ist. Das könnte zu entsprechenden Änderungen in den Prioritäten der Regierung führen.
Es gibt aber auch schlechte Nachrichten für die Erneuerbaren in Polen. Mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz führt das Land auch Ausschreibungen als Fördersystem für größere Anlagen ein. Aber anders als in Deutschland werden keine Pilotprojekte geplant, die es ermöglichen könnten, aus den Fehlern zu lernen und das Fördersystem zu verbessern. Dadurch wird der Markt für größere Anlagen weiterhin von den großen Energieunternehmen dominiert, ohne den Genossenschaften, die in Deutschland eine große Rolle im Stromsektor spielen, eine Chance zu geben.
Eine zusätzliche Gefahr könnte den Erneuerbaren im Falle eines Sieges von der zurzeit größten Oppositionspartei, das Recht und Gerechtigkeit (PiS), drohen. Zwar haben die Mitglieder dieser Partei die Einspeisetarife einstimmig unterstützt, aber die Mitglieder dieser Partei machen ihre Ablehnung gegenüber anderen Erneuerbaren, vor allem Windenergie, deutlich klar.
Unmittelbar nach der Entscheidung über die Einspeisetarife plädierte eines der einflussreichsten Mitglieder dieser Partei, Anna Zalewska, für ein Moratorium für den Bau neuer Windenergieanlagen. Schon früher hat PiS ein Gesetzentwurf vorgeschlagen, wonach alle Windenergieanlagen in einem Radius von drei Kilometer um Wohnsiedlungen abgebaut werden sollten. Dieser Entwurf scheiterte dann mit an den Stimmen der Mitglieder von Bürgerplattform.
Ob Polen in den kommenden Jahren seine eigene Energiewende startet und wie sie dann aussehen sollte, wird hauptsächlich in den Parlamentswahlen im Oktober klar werden. Es gilt aber schon als sicher, dass die erneuerbaren Energien zum ersten Mal zu einem wichtigen Thema in der Wahlkampagne werden.
Der Autor
Dr. Andrzej Ancygier unterrichtet Europäische Umweltpolitik an der New York University in Berlin und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hertie School of Governance.