In einem Positionspapier spricht sich die CDU/CSU Bundestagsfraktion gegen eine Erhöhung des Klimaziels auf 55 Prozent im Jahr 2030 aus. Das sorgt für viel Kritik aus anderen Parteien. Ein Widerspruch zu den Worten ihrer Kanzlerin sei das aber nicht, meinen die Christdemokraten.
Die CDU/CSU Fraktion steht unter Beschuss von allen Seiten: Ein von der Gruppe am Dienstagabend vorgelegtes Positionspapier zum Green Deal erntet derzeit heftige Kritik. In dem 13-seitigen Dokument, von dem in den vergangenen Tagen bereits eine Entwurfsfassung im Umlauf war, nehmen die deutschen Christdemokraten gegenüber der Erhöhung der Klimaziele für 2030 eine sehr kritische Haltung ein. Schon die jetzigen Klimaziele stellten eine „gewaltige Herausforderung“ dar, schreiben sie. Denkbar wäre eine Erhöhung der momentan festgelegten 40 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 nur, wenn das Lastenteilungsverfahren unterhalb der Mitgliedstaaten geändert würde.
Das stößt besonders seitens der Umweltorganisationen auf Empörung. Kai Niebert, Präsident der Dachorganisation Deutscher Naturschutzring weist darauf hin, dass die Union mit ihren Forderungen am Willen der meisten BürgerInnen vorbeirede. Eine Bundestagsfraktion, die sich den wissenschaftlich notwendigen und von der Bundeskanzlerin versprochenen Veränderungen verweigert, müsse sich fragen, „ob sie Politik für sich selber oder für das Land macht.“ Bundeskanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen müssten sich angesichts dieser Initiative die Frage stellen, ob sie noch in der richtigen Partei sind.
Auf Anfrage von EURACTIV Deutschland sagte die grüne Abgeordnete und Obfrau des Europaausschusses Franziska Brantner: „Die Union handelt fahrlässig, indem sie die EU-Klimaziele infrage stellt und Paris gefährdet.“ Mit Blick auf die im Juli beginnende deutsche Ratspräsidentschaft müsse die Bundesregierung ehrgeizige Ziele ermöglichen, statt sie zu torpedieren.
Ähnliche Töne vom Koalitionspartner SPD, die das Positionspapier als Dolchstoß in den Rücken der Bundeskanzlerin wertet. Die Union müsse „schnell klären, ob sie sich hinter die Bundeskanzlerin stellt oder ambitionierten Klimaschutz ausbremsen will“, sagte SPD-Vizefraktionschef Matthias Miersch. Und die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Delara Burkhardt schrieb, das Positionspapier reihe sich in eine wachsende Liste von Aussagen von Unions-Politikern gegen eine ambitionierte Klimapolitik ein. Der jetzige Beschluss grenze „an Zukunftsverweigerung durch die Unions-Parteien“.
Christdemokraten stehen zu der Position
Mildere Töne kommen aus den Reihen der Christdemokraten in Brüssel. Insgesamt finde er das Papier „grundsätzlich sehr positiv“, sagt der im ENVI-Ausschuss sitzende CDU-Abgeordnete Peter Liese zu EURACTIV Deutschland. Er sieht darin keinen Stoß in den Rücken der Bundeskanzlerin. Zwar habe Merkel sich auf dem Petersberger Klimadialog vor zwei Wochen für eine Erhöhung der Klimaziele auf 50 oder 55 Prozent Emissionsreduktion ausgesprochen. Aber auch bei den europäischen Christdemokraten herrsche weitgehende Übereinstimmung, dass ein Ziel von 50 Prozent machbar, 55 Prozent dagegen schwierig wäre.
Schon im Februar hatte die EVP ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie sich zu einem Klimaziel von 50 Prozent ausgesprochen hatte. Kritisch sieht Liese allerdings die Forderung der Kollegen, gegebenenfalls das Lastenteilungsverfahren zu ändern, um Deutschland zu entlasten: „Wenn wir das öffnen, bekommen wir das nicht mehr zu, es würde zu lange dauern.“
Der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein (CSU) verteidigte den Vorstoß gegenüber dem „Handelsblatt“: „Man darf sich schon die Frage stellen, ob eine Zielverschärfung angesichts der Coronakrise opportun ist.“ Deutschland könne als letzter verbliebener echter Industriestaat in Europa über die national bereits beschlossenen 55 Prozent hinaus keine Reduktion erbringen, ohne massive wirtschaftliche Schäden zu riskieren.