Ein Bericht zur EU-Wasserstoffstrategie ist am gestrigen Mittwoch (19. Mai) vom Europäischen Parlament gebilligt worden. Darin wird die Verwendung von „CO2-armem Wasserstoff“, der unter Nutzung von Erdgas hergestellt wird, als „Brückentechnologie“ befürwortet.
Die EU-Wasserstoffstrategie, die im Juli vergangenen Jahres vorgestellt wurde, zielt eigentlich darauf ab, Wasserstoff zu fördern, der vollständig auf erneuerbarem Strom (beispielsweise Wind- oder Solarenergie) basiert. In der Strategie wird aber auch sogenannter „CO2-armer Wasserstoff“ als Zwischenlösung angegeben, um die Produktion kurzfristig zu erhöhen.
Im nun gebilligten Report des EU-Parlaments – ein unverbindlicher Antrag ohne rechtliche Konsequenzen – wird die „Notwendigkeit“ anerkannt, dass der europäische Markt so schnell wie möglich ausgebaut werden sollte. „Kohlenstoffarmer Wasserstoff“ werde dabei als „Brücke“ hin zu einer komplett erneuerbaren Produktion benötigt.
Der Antrag wurde mit 411 Ja- gegen 135 Nein-Stimmen bei 149 Enthaltungen angenommen. Dagegen waren die Grünen sowie die rechtsextreme Fraktion Identität und Demokratie (ID), während die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und die linke GUE/NGL sich weitgehend enthielten.
Nach Ansicht des Parlaments schließt „CO2-arm“ den sogenannten blauen Wasserstoff ein, der aus Erdgas in Kombination mit der Carbon Capture and Storage (CCS)-Technologie hergestellt wird. Dabei wird das bei der Wasserstoffproduktion entstehende CO2 abgeschieden und unterirdisch gelagert.
Erneut wird die Atomenergie nicht explizit angesprochen. Die meisten Fachleute gehen aber davon aus, dass die Bezeichnung „CO2-arm“ auch sogenannten gelben Wasserstoff auf Kernenergie-Basis mit einschließt.
Die Grünen – die sich gegen blauen Wasserstoff aus fossilem Gas aussprechen – brachten ihrerseits Änderungsanträge zum Bericht ein, die jedoch keine Mehrheit fanden.
Wasserstoffmarkt aufbauen
„Die Mehrheit des Europäischen Parlaments hat sich für einen innovativen europäischen Wasserstoffmarkt ausgesprochen,“ fasste der deutsche Europaabgeordnete Jens Geier, der den Bericht im Namen der sozialdemokratischen S&D-Fraktion geschrieben hatte, zusammen. „Dieser Bericht enthält kein einziges Wort, das ich dort nicht haben wollte,“ zeigte sich Geier bereits am Montag (17. Mai) bei einem Pressegespräch zufrieden.
Seiner Ansicht nach sei ein funktionierender Wasserstoffmarkt „ein wichtiger Schritt hin zur europäischen Dekarbonisierung.“
Die deutsche Konservative Angelika Niebler (CSU/EVP), die Schattenberichterstatterin für den Report ist, fügte hinzu: „Der Markthochlauf wird nur gelingen, wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Wasserstofferzeugung mit den Potenzialen des kohlenstoffarmen Wasserstoffs ergänzen. Auch unsere Klimaziele werden wir nur mit dem sogenannten blauen Wasserstoff erreichen.“
Beim Thema Atomenergie sei sie persönlich der Ansicht, „dass Atomstrom nicht zur Erzeugung von kohlenstoffarmem Wasserstoff verwendet werden sollte„, so Niebler weiter. Letztendlich sei dies auch keine Entscheidung, die auf EU-Ebene, sondern von den einzelnen Mitgliedstaaten gefällt wird.
Grüne Kritik
Zwar hat der gebilligte Bericht keinerlei rechtliche Auswirkungen, er sendet jedoch ein politisches Signal im Vorfeld eines neuen Pakets mit Energie- und Klimagesetzen, das die EU-Kommission am 14. Juli vorlegen will.
Grüne MEPs sowie Umwelt- und Klimaschutzgruppen zeigten sich entsprechend verärgert: „Als Grüne können wir Rufe nach finanzieller und regulatorischer Förderung für sogenannten ‚CO2-armen Wasserstoff‘ mit der Behauptung, er werde für eine Übergangszeit benötigt, einfach nicht unterstützen,“ betonte die EU-Parlamentarierin Henrike Hahn.
Camille Maury vom WWF fügte hinzu: „Die Abgeordneten haben da etwas falsch verstanden. Sogenannter ‚CO2-armer‘ Wasserstoff als ‚Brückentechnologie‘ ist eine CO2-reiche Brücke ins Nirgendwo.“
Damien Carême, ein französischer Europaabgeordneter der Grünen und Schattenberichterstatter des Berichts, kritisierte: „Wasserstoff kann eine Energie der Zukunft sein, unter der einzigen einfachen Bedingung, dass er aus 100 Prozent erneuerbarer Energie hergestellt wird.“
Gegenüber EURACTIV beklagte Carême auch den ausufernden Lobbyismus: „Ich bin empört, dass derartig verrückte Geldbeträge – 58,6 Millionen Euro nach einer konservativen Schätzung von Corporate Europe Observatory! – von der Gaslobby ausgegeben wurden. Die 163 Treffen, die [die Lobbyisten] mit drei EU-Kommissaren, Mitgliedern ihrer Kabinette oder den entsprechenden Generaldirektionen hatten, haben die von der Kommission vorgestellte und vom Europäischen Parlament gebilligte Wasserstoffstrategie sehr stark geprägt“.
[Hinweis: Dies ist eine gekürzte Übersetzung. Den Original-Artikel mit weiteren Stellungnahmen finden Sie hier. Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]