Ein großer Teil der Risikobewertungen für Pflanzenschutzmittel wird direkt von der Industrie verfasst. Eine vom EU-Parlament in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Plagiate weit verbreitet sind. Ein Bericht von EURACTIV Frankreich.
So seien mehr als 72 Prozent der Arbeiten des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu den gesundheitlichen Gefahren von Glyphosat aus Studien der produzierenden Unternehmen übernommen worden. Schlimmer noch: Rund 50 Prozent der Studien seien „Plagiate“ ohne Angabe der ursprünglichen Verfasser.
Der Verdacht liege somit nahe, dass Leser in Bezug auf die Identität der Autoren „irregeführt“ werden sollen, so der Bericht, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Die von der EU beauftragte deutsche Behörde habe eine Stellungnahme zu den gesundheitlichen Risiken von Glyphosat abgegeben, die zu einem beträchtlichen Teil die Einschätzungen der sogenannten Glyphosat Task Force (GTF), einer Lobbygruppe der Hersteller, enthält. Auf dieser Grundlage war die Verwendung des Pflanzenschutzmittels Ende 2017 für fünf weitere Jahre erlaubt worden.
Die GTF ist eine Lobbygruppe, an deren Spitze der Marktriese Monsanto steht. Die vom BfR verwendete GTF-Studie wurde bei der Veröffentlichung hingegen als „unabhängig“ präsentiert, so Anja Hazekamp, eine niederländische Abgeordnete von der linken GUE/NGL-Fraktion. Bei der Präsentation des Parlamentsberichts über die Plagiate kritisierte sie: „Das BfR gefährdet bewusst die Gesundheit der Verbraucher.“
Auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks wies das Bundesinistitut die Vorwürfe jedoch zurück: Man habe „keineswegs die Sicht der Antragsteller und deren Interpretation entsprechender Studien unkritisch und ungeprüft übernommen.“
„Bewusste Täuschung“
Einige grüne und linke Parlamentarier hatten die Studie über die Methoden des BfR in Auftrag gegeben, nachdem die Behörde das Pflanzenschutzmittel erneut zugelassen hatte, obwohl die Internationale Agentur für Krebsforschung es im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte.
Stefan Weber, einer der Autoren des Berichts, erklärt: „In einigen Teilen des Berichts sind die Angaben irreführend. Sie präsentieren den Inhalt als eigenen Ansatz des BfR, wobei in Wirklichkeit der Text der Industrie aufgegriffen wurde.“ Seiner Ansicht nach liegt eine Täuschungsabsicht vor.
„Monsanto hat eine Bewertung der gesamten wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema vorgenommen. Sie sind es, die entschieden haben, welche Studien zu berücksichtigen sind – und das hat das BfR fast vollständig übernommen,“ sagt auch Helmut Burtscher-Schaden, Ko-Autor der Studie.
Anja Hazekamp empört dies: „Die Produzenten haben andere Prioritäten als die Gesundheit der Verbraucher. Daher müssen die Behörden echte Garanten für den Verbraucherschutz sein.“ Diese Erwartungshaltung werde mit Blick auf die nun veröffentlichte Untersuchung jedoch weitgehend in Frage gestellt.
Daher fordern die Abgeordneten die EU nachdrücklich auf, den neuen Bericht so schnell wie möglich zur Kenntnis zu nehmen: „Die europäischen Behörden müssen diese Schlussfolgerungen unverzüglich akzeptieren und Glyphosat bis zum Abschluss weiterer Studien verbieten,“ fordert Guillaume Balas, ein EU-Abgeordneter der französischen Sozialistischen Partei.
Neben zusätzlichen Mitteln für die zuständigen Behörden werben die MEPs für weitere Maßnahmen, wie beispielsweise die obligatorische und offizielle Veröffentlichung aller unabhängigen Studien zu einem Thema in einem Register. Damit soll sichergestellt werden, dass solche Studien bei Risikobewertungen ebenfalls berücksichtigt werden.
Monsanto sucht seine Bewerter aus
Eine der Hauptkritikpunkte des derzeitigen Systems betrifft jedoch vor allem die Art, in der das für die Durchführung der Bewertung zuständige Land ausgewählt wird. Derzeit darf das antragstellende Unternehmen dies bestimmen – was Fragen der Unparteilichkeit aufwirft, die sich aus der Größe des Produzenten in der Wirtschaft des benannten Landes ergeben. Guillaume Balas forder daher eine radikale Umkehr: „Es ist absolut notwendig, diese Verknüpfung zu kappen.“
Die Ernennung des Berichterstatters müsse „auf der Grundlage der Kriterien einer unabhängigen, objektiven und transparenten Bewertung“ erfolgen, heißt es auch im entsprechenden Bericht der Europaabgeordneten.
Einer der Autoren dieser Mitteilung, das Grünen-Mitglied Bart Staes aus Belgien, erinnerte daran, „dass Unternehmen, die Glyphosat herstellen, im Jahr 2022 erneut einen Antrag auf Zulassung stellen müssen. Wir wollen lediglich sicherstellen, dass dieser Prozess dann korrekt und regelkonform durchgeführt wird.“