Bestehende Gasnetze sollten künftig für den Transport von Wasserstoff umgenutzt werden und somit helfen, die Nachfrage zu steigern, erklärte Polens Klima- und Umweltminister Michał Kurtyka auf einer Online-Veranstaltung zum Thema Wasserstoff in Ost- und Mitteleuropa am vergangenen Freitag (12 Februar).
„Wir müssen die Netze umstellen. Wir müssen sicherstellen, dass die bereits bestehende Gasinfrastruktur so angepasst wird, dass sie auch dekarbonisierte Gase, einschließlich Wasserstoff, transportieren kann,“ sagte Kurtyka weiter.
Wasserstoff biete eine Möglichkeit für kohleabhängige mittel- und osteuropäische Länder, ihre Industrie von fossilen Brennstoffen zu lösen.
Analysen der Europäischen Kommission zeigen derweil, dass jede Investition von einer Milliarde Euro in erneuerbaren Wasserstoff zu etwa 10.000 Arbeitsplätzen entlang der Lieferkette führt, betonte EU-Energiekommissarin Kadri Simson, die ebenfalls auf der Konferenz sprach.
Polen ist heute bereits der drittgrößte Wasserstoffproduzent in Europa und der fünftgrößte der Welt. Es hat gerade seinen Energieplan für 2040 verabschiedet und will bis 2030 ein Drittel seiner Stromkapazitäten umweltfreundlich erzeugen. Die Regierung in Warschau hat außerdem eine eigene Wasserstoffstrategie ins Leben gerufen.
Derweil hat auch Bulgarien angekündigt, einen nationalen „Fahrplan“ für Wasserstoff zu entwickeln; die Slowakei hat ein Zentrum für Wasserstofftechnologien eingerichtet; und Kroatien bereitet ein nationales Programm für die Entwicklung seines Wasserstoffmarktes vor.
„Wir sehen bereits Wasserstoffbusse in Riga, und es gibt die Aussicht auf weitere vielversprechende Projekte für Wasserstoffanwendungen im Schiffsverkehr und sogar in der Luftfahrt. Es ist also offensichtlich, dass es in Mittel- und Osteuropa Potenzial gibt,“ zeigte sich Simson überzeugt.
Allerdings müsse die Kommission ihre Hausaufgaben in Bezug auf die regulatorischen Aspekte machen, forderte seinerseits Milan Sedláček, Leiter für EU-Angelegenheiten und Strategie bei Eustream, dem Gasfernleitungsnetzbetreiber in der Slowakei. „Bitte seien Sie am Anfang nicht zu unflexibel,“ bat er in Richtung der Kommission. „Beimischungen und CO2-arme Gase sind gute und einfach zu erreichende Lösungen, die allen zugutekommen sollten,“ fügte er hinzu.
Weitere Redner bei der Online-Veranstaltung forderten die politischen Entscheidungsträger in Europa ebenfalls auf, die Debatte über die Stromquellen für die Wasserstoffproduktion – ob Erdgas oder erneuerbare Energie – vorerst beiseite lassen und sich stattdessen auf die Steigerung der Produktion konzentrieren.
Man müsse weniger auf die sogenannte „Farbe“ der Wasserstoffproduktion achten als auf die tatsächlichen CO2-Emissionen, sagte Kurtyka seinerseits und fügte hinzu, dass die EU einen „technologieneutralen Ansatz“ verfolgen sollte.
Das bedeutet unter anderem, dass auch Atomkraft für die Produktion von „CO2-armem“ Wasserstoff verwendet werden sollte.
Die Zukunft des Wasserstoffs in Ost- und Mitteleuropa
Laut Sedláček gibt es keinen Zweifel, dass Wasserstoff bei der Dekarbonisierung der EU eine große Rolle spielen wird. Er sehe die bestehende Gasinfrastruktur als wichtigen Ausgangspunkt.
Gaspipelines gibt es in der gesamten EU, einschließlich einiger Netze aus der Zeit des Sozialismus in vielen mittel- und osteuropäischen Ländern. In der Slowakei läuft derzeit ein Projekt, in dem geprüft wird, ob diese für den Transport von Wasserstoff umfunktioniert werden können.
Sorgen machen Sedláček derweil eher der befürchtete „Mangel an öffentlichen Akzeptanz“ von Wasserstoff: Armut, Preisgestaltung und Politik könnten verhindern, dass Wasserstoff von den Verbrauchern angenommen wird – insbesondere dort, wo schmutzigere Energie billiger ist. „Das unterstreicht die Probleme beim Zugang zu Energie in postkommunistischen Ländern und besonders in Haushalten mit niedrigem Einkommen: Diese einkommensschwachen Haushalte neigen natürlich dazu, auf billige und schmutzige Energieträger zu setzen, was in den Ländern – in Kombination mit der ohnehin starken Kohlenutzung – zu Problemen mit der Luftverschmutzung führt.“
In Polen wurden inzwischen umgerechnet 250 bis 300 Millionen Euro für den emissionsfreien Verkehr zur Verfügung gestellt. Unter anderem verfolgt das Land das Ziel, bis 2025 insgesamt 500 Wasserstoffbusse auf die Straße zu bringen. Dies dürfte helfen, die Luftverschmutzung in einem der am stärksten verschmutzten Länder Europas zumindest ein wenig zu reduzieren.
Polen will außerdem bis 2030 sein erstes 50-MW-Heizkraftwerk in Betrieb nehmen. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Erdgas- und Wasserstoff-Energieproduktion. Dies senkt die Menge an Kohlenstoffemissionen ebenfalls und wird als Schritt weg von Kohle sowie hin zu „grünerer“ Energie beworben.
Die Europäische Kommission hofft indes ihrerseits, die Wasserstoffproduktion in Europa weiter ankurbeln zu können. Dafür hatte sie im Juli vergangenen Jahres ihre Wasserstoffstrategie und im Dezember weitere Vorschlägen zur Umnutzung und Umstrukturierung der transnationalen Pipeline-Netzwerke vorgelegt. Man setze unter anderem auf Wasserstoffpipelines und Elektrolyseure.
[Bearbeitet von Frédéric Simon]