Die EU-Bürgerbeauftragte hat am Donnerstag, den 13. Februar, angekündigt, dass sie eine Untersuchung des Katalogs vorrangiger Energie-Projekte der Europäischen Kommission eingeleitet hat, nachdem grüne Aktivisten eine Beschwerde über die Aufnahme neuer Gas-Infrastrukturen in die Liste eingereicht hatten.
Emily O’Reilly, die EU-Bürgerbeauftragte, hat Anfang der Woche an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben und um Klarstellungen bezüglich der Aufnahme von Gasprojekten in die so genannte vierte EU-Liste der Projekte von gemeinsamem Interesse (PCI) gebeten.
Die Untersuchung folgt auf eine Beschwerde von Food & Water Europe, einer Gruppe der Zivilgesellschaft, die behauptet, dass die EU-Exekutive die Nachhaltigkeit der 32 Gas-Projekte auf der Liste nicht angemessen bewertet und damit gegen EU-Recht verstoßen habe.
Food & Water Europe sind nicht die ersten, die gegen die Liste Einwände haben: eine Vielzahl von NGOs haben sich dagegen ausgesprochen, ebenso wie der Hollywood-Schauspieler Mark Ruffalo.
Jedoch scheint die Antwort, die die Kommission an die Gruppe geschickt hat, die Bürgerbeauftragte tatsächlich zum Handeln bewegt zu haben. „Aus der Antwort der Kommission an die Beschwerdeführer geht klar hervor, dass die Kommission begonnen hat, die Analyseinstrumente und -verfahren zu verbessern, die sie zur Durchführung einer Nachhaltigkeitsbewertung möglicher zukünftiger Gasprojekte einsetzt“, schreibt O’Reilly in ihrem Brief.
„Man kann [es] jedoch als Eingeständnis verstehen, dass es Mängel in Bezug auf frühere Nachhaltigkeits-Bewertungen des PCI-Status gab“, erklärte die Bürgerbeauftragte. Weiter führte sie aus, dass sich ihre Untersuchung darauf konzentrieren wird, ob und wie die Kommission die Nachhaltigkeit bei der Erstellung der Liste überhaupt berücksichtigt hat.
Zu diesem Zweck bittet die EU-Aufsichtsbehörde die Dienststellen der Kommission zu erklären, wann sie zum ersten Mal erkannt haben, dass die Nachhaltigkeitsbewertung einer Überprüfung bedurfte und ob Gasprojekte jemals die in der speziellen Verordnung der PCI-Liste enthaltenen Kriterien erfüllt haben.
Nach dieser Rechtsvorschrift muss ein Projekt nur eines von vier Kriterien erfüllen, um für einen Platz auf der Liste in Frage zu kommen: Marktintegration, Versorgungssicherheit, Wettbewerb und Nachhaltigkeit.
Dies könnte „das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit der EU untergraben, die PCI-Liste in einer Weise zu erstellen, die mit den energie- und klimapolitischen Zielen der EU übereinstimmt“, warnte die Ombudsfrau in dem Schreiben.
O’Reilly bittet die Kommission auch um eine Erklärung, ob sie Ölprojekte korrekt bewertet hat, wobei sie in ihrem Brief zugibt, dass die zusätzliche Klarstellung aus eigener Initiative erfolgt, weil sie „in der Beschwerde implizit enthalten ist“.
Die EU-Exekutive hat bis zum 31. März Zeit, um eine schriftliche Antwort auf die drei Anfragen zu geben.
PCI-Versprechen
Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben am Mittwoch, den 12. Februar, in großer Zahl für die vierte PCI-Liste gestimmt und damit einen Einspruch der Grünen, der von den linken GUE/NGL-Fraktionen unterstützt wurde, zunichte gemacht.
Eine Mehrheit der Gesetzgeber anderer Fraktionen schloss sich jedoch zusammen, um die Resolution mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Sicherung der Energieversorgung und der Vollendung der Energieunion des Blocks abzulehnen. Die Europaabgeordneten, die gegen die Entschließung der Grünen stimmten, kamen aus einer Vielzahl von Fraktionen, darunter die Mitte-Rechts-EVP, die sozialistische S&D, die zentristische Renew Europe, die konservative ECR und die rechtsextremen ID-Fraktionen.
Pascal Canfin, ein französischer Abgeordneter, der den Vorsitz im Umweltausschuss des Parlaments innehat, setzte sich für die vierte PCI-Liste der Kommission ein und lobte das Versprechen des EU-Klimachefs Frans Timmermans, nur Projekte zu finanzieren, die mit den Klimazielen der EU übereinstimmen. Der Franzose betonte auch die Bedeutung der Projekte für erneuerbare Energien auf der Liste und argumentierte, dass diese nicht länger hinausgezögert werden sollten.
Doch der grüne Europaabgeordnete Bas Eickhout erwiderte auf Twitter, dass der von Timmermans verfochtene Europäische Green Deal kein völliges Verbot von Gas vorschlägt, und kritisierte Canfin, weil er „die Gelegenheit verpasst habe, eine Linie zu ziehen“.
Nach der Niederlage der grünen Resolution begrüßte Eickhout das Engagement der Ombudsfrau in dieser Frage und sagte, „das Parlament habe es versäumt, von seinen Kontrollbefugnissen Gebrauch zu machen“.
Das Europäische Umweltbüro (EEB), eine grüne Kampagnengruppe, erklärte gegenüber EURACTIV, dass die Abstimmung des Parlaments „die Klimabilanz der EU ernsthaft in Frage stellt“, begrüßte aber Timmermans‘ Zusage und O’Reillys Untersuchung als „zusätzliche Versicherung“.
Energiekommissarin Kadri Simson hat zudem bestätigt, dass sie beabsichtigt, im Laufe dieses Jahres eine Überprüfung der TEN-E-Verordnung über die grenzüberschreitende Energieinfrastruktur zu beaufsichtigen, während die Europäische Investitionsbank ihre Gaskriterien ab 2021 verschärfen wird.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Britta Weppner]