Das EU-Parlament begrüßt Importe von gefracktem Flüssigerdgas aus den USA. Kritiker monieren, die EU verhöhne mithilfe von Steuermitteln das Pariser Klimaschutzabkommen.
Die Angst vor Versorgungsmangel geht um: Die EU-weite Gaserzeugung sei rückläufig, warnte die EU-Kommission bereits im Februar dieses Jahres – obwohl der Gas-Bedarf in der EU zurzeit so niedrig ist wie zuletzt vor 20 Jahren.
Dass sich das vorerst nicht ändern dürfte, weil die Preise für Kohle und CO2 niedrig sind und immer mehr Strom aus Wind und Sonne entsteht, ändert jedoch nichts am Standpunkt der Kommission: Mehr Importe von verflüssigtem Erdgas (LNG für liquefied natural gas) seien unabdinglich. Gas sei der sauberste fossile Brennstoff – und damit nötig für den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft, betonte Klimakommissar Miguel Arias Cañete im Februar.
Die wichtigsten Ziele der Kommission sind darum mehr Gas-Importe aus Drittstaaten, aber auch der Ausbau grenzüberschreitender Gasspeicher mit EU-Geldern vor allem aus der Connecting Europe Facility und den Strukturfonds. Über die bislang in der EU vorhandenen LNG-Terminals können laut einer Analyse des Centrums für Europäische Politik (cep) derzeit pro Jahr lediglich 195 Millionen Kubikmeter LNG in die EU importiert werden – 40 bis 50 Prozent des jährlichen EU-Erdgasbedarfs.
Kritiker überzeugen diese Argumente nicht. Dass nun auch das EU-Parlament die EU-Strategie für Flüssigerdgas und der Speicherung von Gas mit einer Mehrheit angenommen hat, und das nur wenige Tage vor dem Inkrafttreten des Pariser Klimaschutzabkommens, sorgt entsprechend für heftige Kritik. Denn bei der Produktion, Lieferung und Verwendung von Flüssiggas entweicht Methan, das viel klimaschädlicher als CO2 ist.
„Die EU wird nicht in der Lage sein, ihre Pariser Verpflichtungen zu erfüllen, wenn sie auf die Förderung weiterer fossiler Brennstoffe und der Ausweitung der vorhandenen Gas-Infrastruktur setzt“, meint Andy Gheorghiu von der Nichtregierungsorganisation „Food & Water Europe“. Die Finanzierung der Vorhaben mit Steuergeldern sieht er höchst kritisch.
#LNG report opening the door for #fracked US #shalegas adopted today by @Europarl_EN majority -completely counteracting the #ParisAgreement! https://t.co/AxGSweMaIn
— Food & Water Europe (@FoodWaterEurope) October 25, 2016
Auch für Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin der LINKEN im Europaparlament, weist die EU-Strategie in eine „völlig falsche Richtung“. „Heute liegt die Nachfrage nach Gas in der EU 23 Prozent unter ihrem Höchststand von 2010, auch aufgrund von Energieeffizienz-Maßnahmen und dem Einsatz Erneuerbarer Energien. Wenn nun verstärkt in Flüssiggas investiert wird, schafft sich die EU eine Infrastruktur an, die sie nicht braucht, und die von allen Steuerzahlern bezahlt werden muss“, mahnt sie.
Der Beschluss des EU-Parlaments begrüßt den Import von gefracktem Gas aus den USA. Man sei der Ansicht, dass ein Energiebinnenmarkt, bei dem Flüssigerdgas und die Speicherung von Gas voll integriert sind, für eine krisenfeste Energieunion von wesentlicher Bedeutung sein werde, heißt es im entsprechenden Bericht des parlamentarischen Ausschusses für Energie.
„Krisenfest“, das bedeutet auch mehr Unabhängigkeit von Russland. Den Großteil ihres Gasverbrauchs deckt die EU durch Erdgas, das über Pipelines aus wenigen Drittstaaten importiert wird. Wegen des bestehenden Pipelinenetzes können einige Mitgliedstaaten im Ostseeraum und in Südosteuropa Erdgas jedoch nur aus Russland importieren – ein Unsicherheitsfaktor, dem die Kommission mit diversifizierteren Gasimporten und mehr Flexibilität der Gaslieferungen begegnen will.
Ein Argument dürfte auch finanzieller Natur sein. Denn vor allem in den Fracking-Paradiesen USA und Australien entstehen zurzeit viele Terminals. Das lässt die Preise für Importeure von Gas purzeln.
Doch zwei Drittel des US Erdgases werden durch Fracking gewonnen. Für „Food & Water Europe“-Experte Gheorghiu ist darum klar: „Während mehrere EU Mitgliedstaaten Fracking-Moratorien oder Verbote eingeführt haben, ist es zynisch, gleichzeitig auf den Import von gefracktem Gas zu drängen.“