Die Europäische Kommission hat „Zweifel“ an der geplanten Entschädigungsregelung für deutsche Energieunternehmen in Höhe von 4,35 Milliarden Euro geäußert. Die Regelung war als Teil des Kohleausstiegsplans bis 2038 vereinbart worden. In Brüssel geht man aber davon aus, dass die zugesagten Summen „wahrscheinlich eine staatliche Beihilfe“ nach EU-Recht darstellen.
Der Deutsche Bundestag hatte im Juni vergangenen Jahres eine Vereinbarung verabschiedet, mit der die Konzerne RWE und LEAG mit insgesamt 4,35 Milliarden Euro für die Schließung der letzten verbliebenen Kohlekraftwerke und Bergbaubetriebe des Landes bis 2038 entschädigt werden. Deutschland meldete den Plan kurz darauf bei der Europäischen Kommission an und erklärte, die 4,35 Milliarden würden die entgangenen Gewinne der Energiekonzerne sowie die Folgekosten an und in den Kohlebergwerken decken.
Doch diese Vereinbarung, die nach monatelangen, zähen Gesprächen getroffen wurde, wird nun von der Europäischen Kommission in Frage gestellt: Diese hat heute beschlossen, eine eingehende Untersuchung in dieser Angelegenheit einzuleiten.
„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Kommission vorläufig der Auffassung, dass die deutsche Maßnahme zugunsten der genannten Betreiber von Braunkohlekraftwerken eine staatliche Beihilfe darstellen dürfte,” so die Kommission in einer Mitteilung. Des Weiteren hege man „Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit den EU‑Beihilfevorschriften“.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte, der finanzielle Ausgleich müsse „auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt“ werden. Die Dänin weiter: „Die uns bisher zur Verfügung stehenden Informationen erlauben es uns aber nicht, dies mit Sicherheit zu bestätigen. Daher leiten wir dieses Prüfverfahren ein.“
Berlin hatte sich zunächst geweigert, die Details der mit RWE und LEAG hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Entschädigungsvereinbarungen bekannt zu geben.
Die den Kraftwerksbetreibern angebotene Entschädigung von 4,35 Milliarden Euro ist in Deutschland dabei höchst umstritten. Der Think-Tank Öko-Institut hat beispielsweise errechnet, dass die Summe um bis zu zwei Milliarden Euro zu hoch angesetzt sein könnte.
Im Januar vergangenen Jahres berichtete Der Spiegel, die LEAG plane ohnehin, seine Kohlekraftwerke abzuschalten, da diese im Vergleich zum billigeren erneuerbaren Strom rasend schnell unrentabel würden.
Diesbezüglich teilte die Kommission heute mit, man hege „Zweifel, ob die Entschädigung der Betreiber für entgangene Gewinne, die sehr weit in die Zukunft reichen, als erforderliches Mindestmaß betrachtet werden kann“. Die EU-Exekutive stellte auch gewisse „Inputparameter des von Deutschland verwendeten Modells zur Berechnung der entgangenen Gewinne“ wie die angesetzten Brennstoff- und CO2-Preise in Frage.
Man räume zwar ein, „dass Zusatzkosten, die durch die vorzeitige Stilllegung der Braunkohleanlagen entstehen, eine Entschädigung für RWE und LEAG rechtfertigen könnten“, habe aber „Zweifel“ in Bezug auf die aus Berlin übermittelten Informationen und insbesondere mit Blick auf das für die LEAG „zugrunde gelegte, kontrafaktische Szenario“.
Die Kommission werde daher nun eine eingehende Untersuchung durchführen, um festzustellen, ob sich diese anfänglichen Bedenken bestätigen. Alle interessierten Parteien könnten während des anstehenden Prozesses Stellungnahmen abgeben, hieß es aus Brüssel.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]