Bioenergie aus Holz, Biokraftstoffe und die forstwirtschaftliche Industrie an sich sollten im Rahmen des Entwurfs einer nachhaltigen „Finanztaxonomie“ der EU anerkannt werden. Das wäre auch im Einklang mit der kürzlich aktualisierten Richtlinie über erneuerbare Energien, behaupten Industrie-Lobbyisten.
Der Entwurf einer sogenannten EU-Taxonomie für Nachhaltige Finanzierungen werde durch „erhebliche Unstimmigkeiten“ mit der EU-Richtlinie über erneuerbare Energien „untergraben“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von zehn Branchenverbänden aus dem Forst- und Bioenergiesektor.
„Dieser Mangel an Kohärenz schmälert die Wahrscheinlichkeit, dass die langfristigen Klima- und Energieziele der EU erreicht werden,“ warnt die Gruppe.
Das Statement wurde am Mittwoch von insgesamt zehn Industrie-Organisationen veröffentlicht: Bioenergy Europe (Bioenergie), CEPF (Waldbesitzer), CEPI (Papierindustrie), COGEN Europe (Kraft-Wärme-Kopplung), Copa-Cogeca (Landwirte und Kooperativen), EBA (Biogas-Produzenten), EOS (Sägemühlen), ePURE (Ethanolproduzenten), Euroheat & Power (Heiz- und Kühlindustrie) und EUstafor (Forstbetriebe).
Im Mittelpunkt der Industrie-Forderung stehen gewisse Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse, die zwar in der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien festgelegt sind, sich aber nicht in der EU-Taxonomie widerspiegeln. Genau dies sei jedoch dringend notwendig.
Diese Nachhaltigkeitskriterien zielen vor allem darauf ab, Landwirte davon abzubringen, „Energie“-Pflanzen anstelle von Lebensmitteln anzubauen – ein Phänomen, das auch als indirekte Landnutzungsänderung (ILUC) bekannt ist. Solche ILUC wird beispielsweise als Ursache dafür gesehen, dass Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben werden und es zu verstärkter Abholzung in Ländern wie Indonesien und Malaysia kommt.
„Nur Biokraftstoffe mit hohem ILUC-Risiko müssen aus der Taxonomie ausgeschlossen werden,“ fordert die europäische Industriekoalition daher in ihrem Schreiben. Zu Stoffen mit hohem Risiko müsse man zum Beispiel importiertes Palmöl, das Biodiesel beigemischt wird, zählen. Insgesamt sollte es zunächst eine vollständige Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien der Erneuerbare-Energien-Richtlinie geben, „bevor man sich für ein bisher ungetestetes, von oben vorgeschriebenes neues Anforderungspaket entscheidet,“ heißt es mit Blick auf die Taxonomie für Nachhaltige Finanzierungen.
Im vergangenen Jahr hatte die Europäische Kommission eine EU-weite Klassifikationstaxonomie erstellt, um private Investitionen vor allem in Richtung saubere Technologien zu lenken und dabei zu bewerten, ob eine gewisse Geschäfts- oder Investitionstätigkeit umweltverträglich und nachhaltig ist oder nicht.
„Wir wollen die Verbraucher und Investoren in der EU vor grün-gewaschenen Finanzprodukten schützen,“ so Valdis Dombrovskis, der für Finanzdienstleistungen zuständige EU-Kommissar. „Die Taxonomie wird also gemeinsame Definitionen für umweltfreundliche Investitionen liefern, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen“, erklärte er in einer Rede im März 2019.
Nach Schätzungen der Kommission werden jedes Jahr bis zu 290 Milliarden Euro an neuen Investitionen benötigt, um die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken.
Der erste Entwurf für eine solche Taxonomie wurde jedoch heftig von der Gaswirtschaft kritisiert: Die Industrie fordert die Aufnahme von Biomethan in die Liste der nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten; dies sei auch im Einklang mit der Richtlinie über erneuerbare Energien. Gas solle im Rahmen des EU-Systems für nachhaltige Finanzierungen „belohnt“ werden, da es die Stromerzeugung aus Kohle ersetzt, so die Ansicht der Gas-Lobby.
Doch auch Umweltaktivisten sprechen sich zum Teil gegen die aktuelle Gesetzgebung aus, da sie die Verbrennung von Holz zur Wärme- und Stromerzeugung fördert. Anfang des Jahres wurde eine entsprechende Klage gegen die Europäische Union wegen der Anerkennung von Biomasse als „klimaneutrale Energiequelle“ eingereicht.
„Die Einstufung von Biomasse als CO2-neutral steht im Widerspruch zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen,“ betonten die Kläger. Bei der Verbrennung von Holz zur Energiegewinnung werde üblicherweise 1,5 mal mehr CO2 als bei Kohle ausgestoßen – und dreimal mehr als bei Erdgas.
„Unsere Position ist es nicht, die Tür für die Bioenergie komplett zu schließen, sondern die Rückverfolgbarkeit über alle Sektoren hinweg zu gewährleisten und die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus zu überprüfen. Das erfordert sehr viel strengere Kriterien, insbesondere in der von der Technischen Expertengruppe der Kommission entwickelten grünen Taxonomie,“ fordert beispielsweise der Umweltaktivist Sébastien Godinot vom WWF.
Holz ist derzeit die tatsächlich die größte erneuerbare Energiequelle der EU und macht fast 60 Prozent aller in der EU verbrauchten erneuerbaren Energien aus – deutlich mehr als Wind, Geothermie, Wasser und Solar zusammen.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]