This article is part of our special report Auf dem Weg zu 1,5 Grad?.
Nach vier Jahren Trump, in denen diverse Klima-Gesetze und -Vorschriften aufgehoben wurden, kündigte der designierte US-Präsident Joe Biden die Rückkehr der Vereinigten Staaten zum Pariser Klimaabkommen an – bereits eingerahmt von einer Reihe weiterer Maßnahmen. Was können wir von dieser „Rückkehr“ des zweitgrößten CO2-Emittenten der Welt in die Klimapolitik erwarten? EURACTIV Frankreich berichtet.
„Die Ankündigung der Rückkehr der Vereinigten Staaten zur Pariser Vereinbarung, die Verpflichtung des designierten Präsidenten Joe Biden zur Klimaneutralität im Jahr 2050, ebenso wie Chinas Verpflichtung zu Netto-Null-Emissionen im Jahr 2060 sind ausgezeichnete Signale, dass nun doch noch ein globaler Emissionspfad eingeschlagen werden kann, der mit den Pariser Klimazielen übereinstimmt,“ zeigte sich die Präsidentin des französischen Hohen Rates für das Klima, Corinne Le Quéré, gegenüber EURACTIV Frankreich zufrieden.
Zu den vom künftigen US-Präsidenten vorgeschlagenen Maßnahmen gehören neben Netto-Null-Emissionen bis 2050 eine 100-prozentige Ausrichtung auf saubere Energie bis zum gleichen Zeitpunkt, eine Stromproduktion ohne fossile Brennstoffe ab 2035 sowie die Modernisierung von vier Millionen Gebäuden, um eine bessere Energieeffizienz zu erreichen.
Um dies zu erreichen, will Biden zwei Billionen Dollar in den kommenden vier Jahre investieren.
„China, die Vereinigten Staaten und Europa sind für die Hälfte der weltweiten Emissionen verantwortlich. Wenn sie ihren Verpflichtungen mit konkreten Maßnahmen und Plänen nachkommen, insbesondere im Rahmen der Konjunktur- und Wirtschaftssanierungspläne nach der COVID-Krise, könnten sie damit auch alle übrigen Länder zu einem stärkeren Engagement ermutigen,“ hofft Le Quéré.
Der designierte amerikanische Präsident hatte sich zuvor außerdem positiv über CO2-Grenzsteuern geäußert – ein Mechanismus, den auch die Europäische Kommission einführen möchte. Sollten sich mehrere große Wirtschaftsmächte für derartige Steuern stark machen, dürfte dies global deutlich besser zu rechtfertigen sein.
Eine Milliarde Tonnen weniger CO2
Seit ihrem Höchststand im Jahr 2000 sind die Emissionen in den USA um fast eine Milliarde Tonnen CO2 zurückgegangen, was den größten absoluten Rückgang aller Länder der Welt in diesem Zeitraum darstellt. Allein im Jahr 2019, also mitten in der Trump-Präsidentschaft, erlebten die Vereinigten Staaten den größten Rückgang der energiebedingten CO2-Emissionen weltweit – ein Minus von 2,9 Prozent, so die Daten der Internationalen Energieagentur.
Dies ist zum Teil auf einen Wandel der öffentlichen Meinung in den USA zum Thema Klima und dessen großer Mobilisierungskraft zurückzuführen. Inzwischen repräsentiert die Initiative We are still in, die sich nach der Trump’schen Ankündigung des US-Austritts aus dem Klimaabkommen gegründet hatte, mehr als 159 Millionen Menschen, 2.287 Unternehmen und Investoren sowie ein BIP-Wert von 9.460 Milliarden US-Dollar.
„Es handelt sich um eine nicht parteigebundene Koalition, die unter anderem Maßnahmen in der auf lokaler und regionaler Ebene angewandten Steuerpolitik ergriffen hat. Keine Frage: Sie haben dazu beigetragen, die [amerikanischen] Treibhausgasemissionen zu reduzieren,“ erklärt David Levaï, wissenschaftlicher Mitarbeiter am französischen Institut IDDRI.
„Diese mobilisierten Akteure bieten Joe Biden eine solide Basis, auf die er sich verlassen kann. Das ist auch ein Vorteil im Gegensatz zur Obama-Regierung, die ihre Klimapolitik und Unterstützung dafür von Grund auf aufbauen musste,“ fährt er fort.
5. Januar: Alle Augen auf Georgia
Allerdings könnte der Handlungsspielraum des 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten durch die Zusammensetzung des nächsten Senats eingeschränkt werden, erinnert der Experte: Im Bundesstaat Georgia stehen am 5. Januar wichtige Wahlen um zwei Sitze im Senat an.
Sollten die demokratischen Kandidaten Jon Ossoff und Raphael Warnock die Wahl gegen die amtierenden Republikaner David Perdue und Kelly Loeffler gewinnen, hätte Biden ausreichende Unterstützung in beiden Kammern des US-Kongresses. Die geplanten Reformen und seine Klimapolitik durchzusetzen würde somit deutlich einfacher.
Wenn die Republikaner hingegen ihre Sitze verteidigen, könnten sie Gesetzesvorlagen und Nominierungen des Präsidenten für Regierungs- oder Justizämter blockieren. In diesem Fall wäre „die Aussicht auf ein großes Gesetzespaket nach dem Vorbild des europäischen Green Deal sehr unwahrscheinlich“, betont Levaï.
In jedem Fall sei die Ernennung von John Kerry – dem Ex-Außenminister während der Obama-Administration, der das Pariser Abkommen unterzeichnet hatte – zum Klimaschutzbeauftragten „ein sehr starkes Signal“, meint Levaï: „Es ist vor allem ein Signal an die internationale Gemeinschaft, dass die Biden-Regierung das Klima unmissverständlich in den Mittelpunkt ihrer Außenpolitik stellen wird.“
Was seiner Ansicht nach ebenfalls vorteilhaft sein könnte: „Joe Biden und John Kerry sind langjährige Freunde. Die internationalen Staatschefs wissen, dass Kerry kein normaler Verwalter ist, sondern dass er einen direkten Draht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten hat. Dies dürfte die Handlungsfähigkeit der US-Regierung im Bereich Klimawandel weiter stärken.“
Viel Arbeit auf internationaler Ebene
Nach zwei Jahren Stillstand bei der Fertigstellung des sogenannten Rulebook des Pariser Klimaabkommens wäre eine „neue amerikanische Dynamik“ sicherlich auch bei den internationalen Verhandlungen wichtig.
Insbesondere Artikel 6 des Regelwerks (zu CO2-Märkten) wird eine der nächsten Herausforderungen bei der Klimakonferenz COP26 sein. Brasilien hatte sich auf der COP25 in Madrid im vergangenen Jahr entschieden gegen die Berechnungsregeln ausgesprochen.
„Die Umsetzungsbestimmungen für Artikel 6 müssen es vor allem ermöglichen, sogenannte Doppelzählungen zu vermeiden. Das ist für die umweltpolitische Glaubwürdigkeit des Systems von wesentlicher Bedeutung,“ erklärte der französische Klimadiplomat Paul Watkinson kürzlich im Gespräch mit EURACTIV.fr.
Im Jahr 2019 waren die Klimakonferenz und vor allem ihr chilenischer Vorsitz durch eine politische Krise in Chile geschwächt worden. Die Unruhen in Santiago und ihre gewalttätige Niederschlagung zwangen die UN sogar dazu, die Konferenz in letzter Minute nach Madrid zu verlegen.
Im November 2021 in Glasgow wird bei der COP26 nun starker politischer Wille gezeigt werden müssen, um die umstrittenen Punkte des Rulebook endlich gemeinsam zu billigen.
Dann gäbe es – fünf Jahre nach der Vertragsunterzeichnung – endlich einen Rahmen für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.
[Bearbeitet von Tim Steins]