Eine neue Studie kommt zu einem wirtschaftspolitisch heiklen Ergebnis: Die Zahlungsbereitschaft der Bürger für grünen Strom würde steigen, wenn die EEG-Ermäßigungen für stromintensive Betriebe wegfielen.
Über die Energiewende in Deutschland gibt es viele Meinungen, aber über eines sind sich alle Experten einig: Sie ist verdammt teuer. Wer grünen Strom erzeugt und ins Netz einspeist, kassiert dafür eine im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Vergütung.
Diese liegt über den an der Strombörse erzielten Erlösen; die Differenz zahlen die Stromkunden über die so genannte EEG-Umlage. Sie ist aber nicht für alle Stromverbraucher gleich hoch: Um Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Konkurrenten und damit einhergehende Jobverluste zu vermeiden, gelten Sonderregeln für energieintensive Unternehmen, bei denen der Anteil der Stromkosten an der Wertschöpfung besonders hoch ist. Unternehmen von betroffenen Branchen wie etwa der Aluminiumindustrie können unter bestimmten Voraussetzungen eine Ermäßigung erhalten.
In diesem Jahr erhalten rund 2250 Unternehmen einen Ökorabatt, für 2019 haben 2209 Betriebe entsprechende Anträge eingereicht. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die durch diese Ermäßigungen entstehende Einnahmelücke müssen die anderen Ökosteuerzahler – mittelständische Firmen und Privathaushalte – zahlen.
Das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen hat jetzt in einem Experiment mit 11.000 Haushalten ermittelt, wie hoch die Zahlungsbereitschaft der Bürger für grünen Strom ist und wie diese mit den Umlagerabatten für Unternehmen korreliert. Die Studie erscheint in der Fachzeitschrift „Nature Energy“ und liegt der WirtschaftsWoche vorab vor. Kernergebnis: „Ein Abbau der Ungleichheit in der Kostenbelastung würde die Bereitschaft der Bürger, für grüne Energie zu zahlen, substanziell erhöhen“, schreiben die RWI-Ökonomen Mark Andor, Manuel Frondel und Stephan Sommer.
Grundlage der Studie ist ein so genanntes „Stated-Choice-Experiment“, das heißt, die Teilnehmer wurden nicht real im Laborexperiment befragt, sondern erhielten vom Meinungsforschungsinstitut Forsa einen Fragebogen. Die Forscher wählten dabei das statistische Verfahren der „Randomisierung“, bei dem Befragte per Zufallsauswahl unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden. In diesem Fall verteilten sich die Teilnehmer auf drei Gruppen. Die erste Gruppe („retain group“) erhielt einen expliziten Hinweis auf die Ausnahmeregeln für energieintensive Industrie und wurde sodann hypothetisch gefragt, ob sie eine Erhöhung der EEG-Umlage um einen Cent, zwei Cent beziehungsweise vier Cent pro Kilowattstunde akzeptieren würde. Die zweite Gruppe (abolish group) hatte auf die Frage zu antworten, ob sie die jeweiligen Umlageanstiege akzeptieren würde, wenn zugleich die Ausnahmetatbestände wegfielen. Die Mitglieder der dritten Gruppe (uninformed group) schließlich erhielten keinen Hinweis auf die Ausnahmeregeln und sollten lediglich ihre Meinung zu den hypothetischen Erhöhungsschritten kundtun.
Das Ausmaß der Unterschiede war für Forscher Frondel „sehr überraschend“. Der Anteil der Befragten, der einer Erhöhung zustimmen würde, lag in der „abolish group“ bis zu 40 Prozentpunkte höher als in der „retain group“. Eine um vier Cent steigende Umlage etwa akzeptierten bei den über die Industrierabatte informierten Teilnehmern nur 22,5 Prozent. Bei den „Uninformierten“ waren es knapp 41 Prozent. War die Erhöhung mit der Abschaffung der Sondertatbestände verknüpft, gaben fast 61 Prozent ihr Ok (wobei man freilich anmerken muss, dass die wettbewerbspolitischen Beweggründe für die Rabatte bei der Befragung nur knapp erwähnt und nicht weiter ausgeführt wurden).
„Der Fairnessgedanke spielt beim Verhalten der Menschen eine große Rolle“, sagt Mitautor Manuel Frondel, außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Uni Bochum und Leiter des RWI-Kompetenzbereiches Umwelt und Ressourcen. Die Studienergebnisse könnten nach seiner Meinung „weitreichende Implikationen für die Politik haben.“ Frondel: „Wenn die Politik nicht möchte, dass Akzeptanz für die Energiewende schwindet, sollte sie darüber nachdenken, die Ungleichbehandlung bei der EEG-Umlage abzuschaffen“. Die rund fünf Milliarden Euro, die die Industrie dann zusätzlich zahlen müsste, „könnten dann aus dem allgemeinen Steuerhaushalt finanziert werden“, etwa als direkte Subvention.