Während China derzeit die billigsten Elektrolyseure der Welt herstellt, ist Europa führend bei innovativen Technologien, die besser geeignet sind, grünen Wasserstoff zu erzeugen. Letzterer wird von einigen Experten als „Wunderwaffe“ zur Entkarbonisierung des Energiesystems angesehen.
Als die Europäische Kommission im Juli dieses Jahres ihre Wasserstoffstrategie veröffentlichte, startete sie damit auch einen Wettlauf um die Massenproduktion von Elektrolyseuren. Bis 2030 will die EU-Exekutive mindestens 40 Gigawatt an Elektrolyseurleistung in der EU installiert haben, die dann bis zu zehn Millionen Tonnen regenerativen Wasserstoff produzieren sollen.
Elektrolyseure – Geräte, die Wasserstoff und Sauerstoff „herstellen“, indem Wassermoleküle durch elektrischen Strom aufgespalten werden – sind eine inzwischen etablierte Methode zur Herstellung von „erneuerbarem“ oder „sauberem“ Wasserstoff, den die Kommission als einen grundlegenden Baustein zur Entkarbonisierung der EU-Wirtschaft betrachtet.
„Priorität hat für die EU die Entwicklung von erneuerbarem Wasserstoff‚ der hauptsächlich mit Wind- und Sonnenenergie hergestellt wird,“ heißt es in der Strategie. Die Entscheidung für derartige Wasserstoffproduktion basiere auf der bereits vorhandenen „Stärke der europäischen Industrie bei der Herstellung von Elektrolyseuren“.
Die EU sei „bei der Herstellung von Anlagen zur Erzeugung von sauberem Wasserstoff sehr wettbewerbsfähig und gut aufgestellt, um von einer weltweiten Entwicklung von sauberem Wasserstoff als Energieträger zu profitieren,“ heißt es in dem Dokument weiter. Darüber hinaus würden Investitionen in diesem Sektor auch eine „grüne Erholung“ von der COVID-19-Krise unterstützen.
Aus dieser Überzeugung heraus reiste Energiekommissarin Kadri Simson im vergangenen Monat ins deutsche Wesseling, um dort die Baustelle der größten „Proton Exchange Membrane“ (PEM)-Wasserstoffelektrolyse-Anlage der Welt, Refhyne, zu besuchen.
Der Zehn-Megawatt-Elektrolyseur, der von der EU über die Gemeinsame Initiative Brennstoffzellen-Wasserstoff (eine öffentlich-private Partnerschaft) finanziert wird, soll Anfang 2021 betriebsbereit sein und per erneuerbarer Energie etwa vier Tonnen sauberen Wasserstoff täglich – oder etwa 1.300 Tonnen pro Jahr – erzeugen.
„Projekte wie Refhyne sind das, was wir brauchen, um die Produktion von sauberem Wasserstoff in Europa zu steigern – innovativ, auf erneuerbaren Energien basierend und den öffentlichen und privaten Sektor zusammenbringend, um die globale technologische Führung der EU zu sichern,“ zeigte sich Simson in einer Erklärung vor ihrem Besuch im Rheinland zuversichtlich.
Die Herstellung von Elektrolyseuren soll des Weiteren durch eine europäische „Wasserstoffallianz“ unterstützt werden, die führende Industrievertreter, Regierungen und die Zivilgesellschaft zusammenbringt, um „eine Investitions-Pipeline für die Ausweitung der Produktion“ und die Nachfrage nach sauberem Wasserstoff in der EU aufzubauen.
Globales Technologie-Rennen
Mit diesen Initiativen scheint die EU entschlossen zu sein, ihre Führungsposition in der Elektrolyseurherstellung zu erhalten und zu stärken. Doch wie ist der Stand der Dinge in der übrigen Welt?
Heute gibt es im Wesentlichen drei Arten von Elektrolyseurtechnologien: Protonenaustauschmembran (PEM), Alkaline und Festoxid (SO). Obwohl alle Methoden „Wasser spalten“, indem elektrischer Strom angelegt wird, verwenden sie unterschiedliche Materialien, Aufbauten und Betriebstemperaturen, was zu individuellen Stärken und Schwächen führt.
Die billigste und etablierteste Elektrolyseurtechnologie ist Alkaline, die erstmals im 19. Jahrhundert entwickelt wurde. Nach Schätzungen von BloombergNEF können chinesische Hersteller inzwischen alkalische Elektrolyseure für 200 US-Dollar pro Kilowatt verkaufen – 80 Prozent billiger als europäische Maschinen desselben Typs.
Diese Technologie ist besonders beliebt in China selbst, das mehr als 50 Prozent des Weltmarktes für alkalische Elektrolyseure ausmacht, erklärt Michela Bortolotti vom Industrieverband Hydrogen Europe.
„Weil der chinesische Markt so groß ist, profitieren die chinesischen Hersteller in viel größerem Maße von Skaleneffekten, Automatisierung etcetera als die Hersteller in der EU und den USA,“ teilt sie gegenüber EURACTIV.com mit.
Im Gegensatz dazu haben europäische Hersteller bei „innovativeren Technologien“ wie PEM, Festoxid oder alkalischen Druckelektrolyseuren die Führung übernommen, sagt Mirela Atanasiu, Referatsleiterin bei der Gemeinsamen Initiative Brennstoffzellen-Wasserstoff (FCH-JU).
PEM-Elektrolyseure seien besser für den Betrieb mit erneuerbaren Energiequellen geeignet, so Atanasiu gegenüber EURACTIV.com in einem Telefoninterview. Das liege daran, dass sie „dynamisch“ mit unterschiedlichen Stromlasten arbeiten können, so dass PEM-Elektrolyseure dann betrieben werden können, wenn die Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie am günstigsten ist.
„Der PEM-Elektrolyseur hat diese Fähigkeit des dynamischen Betriebs und bietet Dienstleistungen für das Netz. Hier sind wir weltweit führend.“ Dies sei ein wichtiger Vorteil gegenüber der konventionellen Technologie: „Alkaline, so wie sie arbeitet, benötigt mehr Zeit zum Ein- und Ausschalten als die PEM-Technologie,“ so Atanasiu.
Mit Elektrolyseuren, die sich leicht ein- und ausschalten lassen, wird es möglich, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den „intermittierenden Charakter“ erneuerbarer Energiequellen ausnutzen und Strom dann nutzen, wenn er am billigsten ist, erklärt Atanasiu. „Wir sollten den Strom dann anzapfen, wenn er am günstigsten ist. Wenn zu viel Elektrizität im System vorhanden ist, nehmen wir die Energie zu Null-Kosten – sogar zu potenziell negativen Kosten – und produzieren somit billigen Wasserstoff.“
Die Möglichkeit, billigen Strom zu nutzen, wird als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff angesehen, da die Auswirkungen weiterer Kostensenkungen durch Elektrolyseure voraussichtlich begrenzt sein werden, erwartet Atanasiu. „Das ist es, was wir in Europa mit dieser Technologie versucht haben: nicht nur Wasserstoff zu produzieren, sondern billigen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu produzieren.“
Tatsächlich seien „die Stromkosten der wichtigste Faktor bei den Kosten der elektrolytischen Wasserstoffproduktion“, schreibt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem im Juni vergangenen Jahres veröffentlichten Bericht zur Zukunft des Wasserstoffs.
Die Produktionskosten hängen aber auch in hohem Maße von Faktoren wie Stromsteuern, Netzgebühren und der Kapazitätsauslastung der Elektrolyseure ab, die von Region zu Region „stark variieren“, erklärt die IEA.
Tatsächlich könnten andere Technologien für andere politische Ziele besser geeignet sein. Wenn die Erzeugung von regenerativem Wasserstoff keine Priorität hat, können Elektrolyseure einfach an das Stromnetz angeschlossen werden, so dass eine „gleichmäßige“ Wasserstofflast erzeugt werden kann – und das würde genauso gut mit der billigeren Alkali-Technologie funktionieren.
Für industrielle Anwendungen könnten sich jedoch weder die Alkali- noch die PEM-Technologie als die beste Technologie erweisen. Stattdessen hätten Festoxidelektrolyseure – eine weitere „innovative Technologie“, bei der Europa führend ist – das Potenzial, dieses Segment zu erobern, meint Atanasiu. Bei Betriebstemperaturen um 900°C könnten Festoxid-Technologien überschüssige industrielle Wärme nutzen, um die für den Elektrolyseprozess benötigte Strommenge zu reduzieren. „Je nach Geschäftsmodell der einzelnen Industriezweige könnte man dann Anlagen in Betracht ziehen, die auch Hochtemperaturwärme nutzen und viel Sauerstoff produzieren“, so Atanasiu.
Mit Verweis auf die Zahl der damit verbundenen Patente unterstreicht sie, dass Europa bei PEM- und Festoxid-Technologien weltweit führend ist – nicht aber bei herkömmlichen Alkali-Elektrolyseuren.

Vorteil für europäische Hersteller?
Laut Atanasiu liegt der Hauptgrund für den Vorsprung Europas bei „innovativen“ Elektrolyseuren darin, dass sich der Branchenschwerpunkt unter dem FCH-JU bereits vor sechs Jahren von der Brennstoffzellen- hin zur Elektrolyseur-Produktion verlagert habe.
„Als wir vor zwölf Jahren begannen, machten Elektrolyseure nur zehn Prozent unserer Finanzierung aus,“ erinnert sie sich und erinnern: „Damals waren Brennstoffzellen führend.“ Das änderte sich jedoch, als die Vorteile der Wasserstofferzeugung aus erneuerbarer Elektrizität offensichtlich wurden: „Dann begannen wir, uns mehr mit Elektrolyseuren zu befassen.“
Viele Unternehmen mit Kenntnissen in der PEM- und Festoxidtechnologie nutzten im weiteren Verlauf ihr Wissen über Brennstoffzellen zur Herstellung von Elektrolyseuren. „Das war der Wandel, den Europa weit vor den anderen Regionen der Welt vollzogen hat,“ erläutert Atanasiu.
Tatsächlich habe die FCH-JU diese Technologien „aggressiv vorangetrieben“. Beispiele dafür seien der 6-MW-PEM-Elektrolyseur in Linz, der 10-MW-PEM-Elektrolyseur in Wesseling bei Köln sowie Pläne für einen 2-MW-Festoxidelektrolyseur in Rotterdam.
„Grünen“ Wasserstoff importieren
Aber selbst wenn die innovativsten Elektrolyseure in Europa hergestellt werden: Große Mengen an „grünem Wasserstoff“ können nur dann produziert werden, wenn genügend erneuerbare Elektrizität zur Verfügung steht.
Heute sind nur 32 Prozent des Stromverbrauchs in der EU erneuerbar – was eine Debatte darüber eröffnet, ob Europa nicht damit beginnen sollte, grünen Wasserstoff aus Drittländern zu importieren, in denen erneuerbare Elektrizität billig und im Überfluss produziert werden kann.
Aus diesem Grund hat der Industrieverband Hydrogen Europe in seiner sogenannten 2×40-GW-Initiative vorgeschlagen, 40 GW Elektrolyseure innerhalb der EU zu bauen und die gleiche Menge aus der Nachbarschaft zu importieren.
Die Öl- und Gasindustrie argumentiert unterdessen, dass die Wasserstoffproduktion zuerst rasch hochgefahren werden sollte, um einen EU-weiten Markt für Wasserstoff zu schaffen. Dies könne jetzt mit Erdgas als Ausgangsmaterial und in Verbindung mit der Technologie der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) erfolgen, um sicherzustellen, dass der Wasserstoff tatsächlich CO2-frei ist.
Eine kürzlich von Eurogas, einem Industrieverband, durchgeführte Studie ergab, dass die EU bis 2050 rund 4,1 Billionen Euro einsparen könnte, „indem sie einen Mix von Energieträgern verwendet, um CO2-Neutralität zu erreichen“ – einschließlich „entkarbonisierter“ fossiler Gase.
„Die Eurogas-Studie zeigt, dass Europa, um bis 2050 Kohlenstoffneutralität zu erreichen, jetzt mit der Wasserstoffwirtschaft beginnen muss. Wir haben keine Zeit für Verzögerungen,“ mahnt James Watson, Generalsekretär von Eurogas, in einer Erklärung zu der Studie. „Dazu gehören alle Optionen für sauberen Wasserstoff: die Reformierung von Erdgas durch CCS, die Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sowie die Mischung mit Methan. Die Notwendigkeit von CCS ist keine Option, sie ist eine Notwendigkeit – wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen.“
Die Gegner von fossilem Wasserstoff warnen hingegen vor der Gefahr eines Lock-in-Effekts: Somit könnte in Technologien investiert werden, bei denen fossile Brennstoffe weiterhin Teil des Energiesystems bleiben.
[Bearbeitet von Frédéric Simon]