Eigentlich möchte die EU aus fossilen Brennstoffen aussteigen und möglichst bald klimaneutral werden. Auf einer Liste von geförderten Energieprojekten tauchen trotzdem 55 Gasprojekte auf, darunter der Bau neuer LNG-Terminals. Damit verspotte man die eigenen Klimaziele, meinen Umweltschützer.
Ein Dokument der EU-Kommission sorgt für Unruhe unter Brüsseler Umweltschützern: Gestern hat die EU ihre neueste Liste der sogenannten „Projekte von öffentlichem Interesse“ (PCI) veröffentlicht. Sie beinhaltet Energieprojekte , die der grenzüberschreitende Energiesicherheit dienen sollen und offiziell von der EU unterstützt werden. Dazu gehören Übertragungsnetze, Speicheranlagen für erneuerbare Energien – und auch 55 Erdgasprojekte. Die Kommission zählt offiziell 32 solche Projekte – doch darin seien einzelne Vorhaben zusammengefasst, um die Zahlen zu beschönigen, meinen Umweltschützer.
Diese Vorhaben untergraben die Klimaziele der EU, so ihr Vorwurf: „Die neue PCI-Liste verspottet die Versprechen der EU, ein klimaneutrales Europa zu schaffen“, meint Colin Roche von der europäischen Umweltorganisation „Friends of the Earth“ zu EURACTIV.
Neue LNG-Terminals für Fracking-Gas aus den USA
Unter den Gasprojekten finden sich unter anderem neue LNG-Terminals in Griechenland, Zypern und Polen, sowie zwei besonders umstrittene Terminals im kroatischen Krk und im irischen Shannon, wo voraussichtlich durch Fracking gewonnenes Erdgas aus den USA nach Europa importiert werden soll.
Dass diese Projekte nun offiziell von der EU unterstützt werden, bedeutet vor allen, dass sie in Planungs- und Zulassungsverfahren bevorzugt werden und gute Chancen auf europäische Fördermittel haben. Die Gelder kommen aus dem 30 Milliarden schweren „Connecting Europe Facility“ Fonds. Rund 3,8 Millionen Euro fließen derzeit aus dem Fonds in jene Projekte, die von der EU als PCI ausgezeichnet wurden.
Mit der Auswahl der Projekte zeige die EU ganz klar, wo ihre Prioritäten liegen, sagt Umweltschützer Roche: „Die PCI spiegeln wider, wie die EU plant, unsere Gasinfrastruktur in den kommenden Jahren auszubauen“. Dabei wiedersprächen neue Investitionen in fossiles Gas den offiziellen Umweltzielen der EU. Das sende „ganz falsche Signale.“
Gas wird noch länger unverzichtbar bleiben
Die Kommission betont ihre Fortschritte. Bei Mittagsbriefing vor Brüsseler Journalisten betonte gestern eine Sprecherin, dass der Anteil von Gasprojekten auf der PCI-Liste immerhin um 40 Prozent im Vergleich zu letztem Mal abgenommen habe. Das zeige eine „sehr, sehr klare Tendenz“ der Kommission, in Zukunft weniger Gas zu fördern. „Wir haben immer sehr klar und transparent deutlich gemacht, dass wir Gas im europäischen Energiemix brauchen. Unser Fokus liegt auf der Diversifizierung und der Wende hin zu sauberen Energien. Dabei wird Gas aber noch eine Weile lang eine Rolle spielen.“
Dass Erdgas in näherer Zukunft noch nötig sein wird, bezweifeln selbst Klimaschützer nicht. Gas gilt als Schlüssel zur Energiewende, als Übergangslösung zwischen Kohlestrom und erneuerbaren Energien. Denn es hat durchaus Vorteile zu bieten: Gas ist vergleichweise günstig und umweltfreundlich, außerdem besteht in vielen EU-Staaten schon ein gut ausgebautes Gasnetz. In Zukunft, so hofft man, könnte das fossile Erdgas dann durch elektrisch hergestelltes, grünes Gas ersetzt werden. Die EU plant daher, die Gasinfrastruktur ausreichend auszubauen, um die Energieversorgung während der Energiewende zu sichern.
55 Milliarden Euro jährlich in fossilen Subventionen
Für Colin Roche liegt das Problem beim Bau neuer LNG-Terminals eher in der Langfristigkeit: „Wenn die Kommission und die Mitgliedsstaaten weiter in die Gasinfrastruktur investieren, bindet das die fossilen Brennstoffe für Jahrzehnte. So ein Terminal hat eine Lebensdauer von 50 Jahren.“ Damit würden wohl auch zukünftig noch Subventionen in fossile Energieträger fließen.
Eigentlich hatten sich die EU-Mitgliedsstaaten schon 2009 dazu verpflichtet, staatliche Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 einzustellen. Geschehen ist seitdem aber wenig. Wie eine Studie der EU-Kommission dieses Jahr befand, förderten die Mitgliedsstaaten zwischen 2014 und 2016 fossile Brennstoffe mit durchschnittlich 55 Milliarden Euro pro Jahr. Und obwohl die EU die Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen hatte, in ihren nationalen Energie- und Klimaplänen auch Strategien zur Abschaffung Fossil-Subventionen vorlegen, hat bislang kein Staat eine solche Strategie vorgelegt, wie eine Untersuchung von Umweltorganisationen kürzlich herausfand.
Zwei Monate haben das EU-Parlament und der Rat nun Zeit, um die PCI-Liste der Kommission zu billigen. Einzelne Projekte ablehnen, zum Beispiel eines der LNG-Terminals, können sie nicht.