Die deutsche Windkraftbranche wächst kaum noch. Um das selbstgesteckte Ziele von 65 Prozent erneuerbarer Energien noch zu erreichen, stellt Deutschland erstmals einen stärkeren Ausbau von Offshore-Windparks in Aussicht.
Deutschland könnte den geplanten Ausbau von Offshore-Windparks in den kommenden Jahren stärker vorantreiben als bisher vorgesehen: Anstatt der festgelegten 15.000 Megawatt (MW) sei auch eine Aufstockung auf 20.000 MW Windenergie möglich, erklärte der parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß gestern am 12. Juni auf dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gipfel in Berlin. Für die Branche der erneuerbaren Energien ist das eine neue Ansage. Schon lange hatten Vertreter der Windkraftbranche eine solche Erhöhung als Voraussetzung genannt, um das deutsche Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
Obwohl im vergangenen Jahr 136 neue Windräder auf See errichtet wurden, hat sich der Ausbau im Vergleich zu 2017 verlangsamt. Um nicht hinter den eigenen Klimazielen zurückzubleiben, muss die Windenergie, die derzeit etwa 17 Prozent des deutschen Strom-Mixes ausmacht und mehr als 80 Prozent des Strombedarfs aller Privathaushalte deckt, weiterhin stark steigen. Eine aktuelle Untersuchung des Marktforschungsinstituts Trendresearch kommt zu dem Schluss, dass der Branche bis zum Jahr 2035 ein Verlust von über 8.000 Stellen droht, sollte die Bundesregierung ihre bisherigen Ausbauziel in Offshore-Windparks nicht erhöhen.
Denn die Offshore-Branche steht vor einem Problem. Die letzte Ausschreibung für den Bau neuer Windräder erfolgte 2018, eine nächste Runde soll erst 2021 stattfinden. Da von der Planung bis zur Inbetriebnahme der großen Windparks allerdings rund vier Jahre vergehen, droht ab 2022 eine Bauflaute.
Windenergie an Land erwartet massive Einbrüche
An Land sieht sich die Windbranche mit einem ungemein größeren Problem konfrontiert, die im Jahr 2020 zu einer massiven Reduktion des Windstroms führen könnte. Dann fallen Windkraftanlagen mit einem Gesamtumfang von 4000 MW aus der staatlichen Förderung, die ihnen vor 20 Jahre mit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes garantiert worden war. Bis zum Jahr 2025 könnte somit ein Viertel der Windkraftbranche wegbrechen, wenn viele der älteren Anlagen am Strommarkt unrentabel werden. „Das wird massive Auswirkungen auf die Onshore- Windbranche haben“, meint Luise Pörtner, Geschäftsführerin des Stromversorgers BayWa r.e. Wind.
Schon jetzt stockt der Zubau neuer Onshore-Windparks. 2018 betrug die neu ausgebaute Windkraftkapazität weniger als die Hälfte im Vergleich zu den Vorjahren. Grund dafür ist zum einen der Mangel an freigegebenen Flächen sowie die heutzutage sehr strengen Genehmigungsverfahren. Auch der Widerstand in Teilen der Bevölkerung behindert viele Bauvorhaben. Etwa die Hälfte der geplanten Anlagen, so schätzt die „Fachagentur Windkraft an Land“, können derzeit aufgrund von Bürgerklagen nicht realisiert werden. Bis diese geregelt und die Windräder genehmigt sind, ist die angemeldete Technik oft schon veraltet.
„Eigentlich spricht sich eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, ungefähr 90 Prozent, für Windräder aus“, sagt Pörtner. „Aber es gibt eine relativ laute und gut organisierte Minderheit, die sich aus teils berechtigten Gründen gegen neue Windräder stemmt. Viele der Vorbehalte beruhen aber auf Informationsdefiziten“.
Um mehr Akzeptanz für Windkrafträder zu schaffen, muss die Bevölkerung an deren Gewinnen eingebunden werden. Als erstes Bundesland geht derzeit Brandenburg voran. Das Land plant ein Gesetz, mit dem Betreiber von Windrädern anliegenden Gemeinden pro Windrad eine Jahrespauschale von 10.000 Euro zahlen sollen.
Was tun mit alten Windkraftanlagen?
Große Unsicherheit herrscht derweil darüber, wie es nach 2020 um die Onshore-Winfenergie stehen wird. Verschiedene Lösungsansätze stehen im Raum. „Wir brauchen ganz, ganz viel Repowering“, so Pörtner, und bezieht sich damit auf den Bau neuer Windanlagen an Stellen, wo bereits veraltete Windanlagen stehen. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, da sich das Zulassungsverfahren für Windräder stark verschärft hat und geschätzt 45 Prozent der vor zwei Jahrzehnten genehmigten Anlagen heute nicht erneut zugelassen würden.
Eine weitere Alternative zum Erhalt der Onshore-Anlagen sind ein langfristige Stromlieferverträge, sogenannte PPAs (Power Purchase Agreements). Dabei garantiert ein Stromabnehmer dem Anlagenbetreiber für eine gewisse Zeit einen Abnehmerpreis. Doch die Verträge gelten als risikobehaftet. Denn niemand weiß, wie sich der Strompreis entwickeln wird, die Stromabnehmer scheuen daher vor Verpflichtungen über fünf Jahren– lange bevor sich die Investition in eine Windanlage rentiert hat.
Es sei Aufgabe der Politik, verlässliche Ausbaupfade für erneuerbare Energien zu schaffen, so Staatssekretär Bareiß in seiner Rede. Inwiefern man die Windparks in Nord- und Ostsee ausbauen könne, hänge letztendlich aber vom Voranschreiten des Netzausbaus ab.