Ein Regierungskompromiss in Berlin sieht radikale Änderungen bei der Förderung der erneuerbaren Energien vor und beschreibt eine Flotte von Reservekraftwerken, die den Kohleausstieg des Landes unterstützen sollen.
Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das um die Jahrtausendwende eingeführt wurde, garantiert den Besitzern von Windkraft- und Solaranlagen 20 Jahre lang einen hohen Preis für den ins Netz eingespeisten Strom. Das Land wurde schnell für seine bahnbrechende Energiewende berühmt.
Die Bundesregierung kündigte am Freitag (5. Juli) an, dass dieses Paradigma vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage und des festgestellten Bedarfs an Reservestromerzeugung vor einem Wandel stehe.
„Unser Ziel ist ein Strommarkt, der eine sichere, bezahlbare und treibhausgasneutrale Stromversorgung mit einem Anteil von mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien gewährleistet“, heißt es in der internen Vereinbarung der Regierungskoalition.
Dazu werden ab 2025 zwei Grundprinzipien der Erneuerbaren-Förderung geändert.
Erstens gibt es keine Vergütung für Strom, der in Zeiten negativer Preise produziert wird, wenn bereits ein Überschuss an Strom ins Netz eingespeist wird. Damit wird eine entsprechende EU-Vorgabe um zwei Jahre vorgezogen.
Zum anderen findet ein Paradigmenwechsel in der staatlichen Förderung der erneuerbaren Energien statt.
„Der Ausbau der neuen erneuerbaren Energien soll auf Investitionskostenzuschüsse umgestellt werden“, heißt es in der Vereinbarung, „damit die Preissignale verzerrungsfrei wirken können.“
Derzeit ist die staatliche Förderung an die Stromproduktion gekoppelt, sodass die Entwickler erneuerbarer Energien für jede produzierte Stromeinheit ein Mindestertragsniveau sicherstellen können.
Von garantierten Erträgen zu einem pauschalen Investitionszuschuss ist ein Sprung – „Das Experiment eines radikalen Wechsels zu Investitionskostenzuschüssen birgt das Risiko der Marktunsicherheit“, sagte die Lobbygruppe für erneuerbare Energien BEE am Freitag.
Für die FDP (Renew) war der Wechsel von langer Hand geplant.
„Deswegen freue ich mich, dass wir mit dem Einstieg in den Ausstieg aus dem EEG beginnen“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, in einer begleitenden Presseerklärung.
Die FDP lehnt das EEG unter anderem wegen seiner hohen Kosten ab – die Förderung der erneuerbaren Energien werde „17 Milliarden Euro, das ist die aktuelle Kalkulation für das nächste Jahr, von der wir ausgehen“ kosten, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Freitag auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Nicht alle sind glücklich über die Einigung zum Ausstieg aus dem traditionellen Mechanismus, selbst innerhalb der Regierung.
„Eine Investitionskostenförderung ist aus heutiger Sicht weder darstellbar noch genau genommen angelegt, sondern nur als Erprobungsmodell beziehungsweise Labor“, sagte die energiepolitische Sprecherin der SPD (S&D), Nina Scheer, in einer E-Mail an Euractiv.
„Das Modell enthält nach meiner Einschätzung offenkundige Investitionsrisiken. Diese müssen unter allen Umständen vermieden werden“, fügte sie hinzu.
Die Umstellung müsste in den kommenden Jahren erfolgen, um einen sinnvollen Effekt zu haben, da die Bundesregierung ebenfalls versprochen hat, die Unterstützung für erneuerbare Energien einzustellen, sobald keine Kohle mehr verbrannt wird – spätestens 2038.
Absicherung des Kohleausstiegs
Ein zweiter wichtiger Meilenstein der deutschen Energiewende wird der Bau neuer Gaskraftwerke sein, die zum Teil mit Wasserstoff betrieben werden können.
„Der Bau neuer Kraftwerke wird den Kohleausstieg absichern“, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Freitag. Der von der Regierung „idealerweise“ angestrebte Kohleausstieg für 2030 gilt weitgehend als unerreichbar.
Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung fünf Gigawatt (GW) an neuen Gaskraftwerken zum sofortigen Bau ausschreiben und damit die Pläne für vollständig wasserstofftaugliche Reservekraftwerke aufgeben. Danach sollen weitere fünf GW an Kraftwerken folgen, die mit Wasserstoff betrieben werden müssen, allerdings erst ab dem achten Jahr ihres Betriebs. Zwei GW an alten Gaskraftwerken sollen nachgerüstet werden.
Außerdem soll ein halbes GW an reinen Wasserstoffkraftwerken gebaut werden, sowie ein weiteres halbes GW an langfristigen Energiespeichern.
Die Anlagen sollen in einen „umfassenden, technologieneutralen Kapazitätsmechanismus eingebracht werden, der ab 2028 einsatzbereit sein wird.“
Andreas Jahn, Senior Advisor beim Think-Tank für klimafreundliche Energie RAP, erklärt, dass der Plan „einen wichtigen Kompromiss darstellt, der die Transformation des deutschen Stromsystems sichert.“
Voraussetzung dafür sind Marktsubventionen, die von Brüssel „im Prinzip“ genehmigt wurden.
„Nach intensiven Gesprächen zwischen den Kommissionsdienststellen und den deutschen Behörden haben sich die beiden auf einen Weg nach vorne geeinigt“, so ein Sprecher der Kommission gegenüber Euractiv.
„Deutschland plant, das erste Ausschreibungsverfahren Ende 2024/Anfang 2025 zu starten“, hieß es weiter.
[Bearbeitet von Donagh Cagney/Alice Taylor/Kjeld Neubert]