Die Gespräche im Rahmen des UN-Klimagipfels gehen in die zweite und entscheidende Woche. EURACTIV bietet einen Überblick über die Geschehnisse der 25. Weltklimakonferenz (COP25) in Madrid.
Mit dem Flugzeug nach Madrid: Wie die meisten Delegierten und Berichterstatter ist auch die Truppe der EU-Kommission per Flugzeug nach Madrid gereist. Elina Bardram, Leiterin der internationalen Abteilung in der Direktion für Klimaschutz der Kommission erklärte: „Wir haben versucht, unsere Delegierten per Zug hierhin zu bringen. Aber das hätte 14 Stunden gedauert und drei Mal so viel gekostet. Da wir für diese Reise Steuergelder aufwenden, wollten wir diese Option daher nicht wahrnehmen.“ Für einige europäische Teilnehmende an der COP dürften auch die großen Streiks in Frankreich ein Grund gewesen sein, sich lieber auf das Flugzeug zu verlassen.
Timmermans energisch: Auf seiner ersten internationalen Pressekonferenz als Vizepräsident der EU-Kommission sagte Frans Timmermans, die Europäische Union werde nicht zögern, Maßnahmen zum Schutz ihrer Industrien vor Wettbewerbern zu ergreifen, die das Pariser Abkommen nicht einhalten. In Bezug auf den Standpunkt der EU zu einer möglichen „Kohlenstoffsteuer“ auf die Importe derartiger Wettbewerber betonte der Niederländer, er hoffe zwar, dass es keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme geben werde, fügte jedoch hinzu: „Aber wenn es notwendig wird, werden wir nicht zögern, sie vorzunehmen.“
NGO-Kritik an USA, Australien und Kanada: Trotz des Austritts aus dem Pariser Klimaabkommen wollen die USA weiterhin einen Platz am Verhandlungstisch haben – nur eben, ohne die entsprechende Rechnung zu bezahlen, kritisiert das Climate Action Network (CAN) in einer Erklärung. Darüber hinaus hätten sowohl die USA als auch Australien „einfach beschlossen, sich abzuwenden“ und würden nun ihre vorherigen Aussagen, die Beiträge zum globalen Klimafonds zu verdoppeln, schlichtweg ignorieren.
Auch Kanada bekam sein Fett weg: Die NGO kritisierte, die kanadische Regierung genehmige „rücksichtslos“ Infrastrukturprojekte für fossile Brennstoffe, die offensichtlich nicht mit dem Pariser Abkommen vereinbar seien. Als Beispiel wurde die TMX-Pipeline zwischen Alberta und der Küste von British Columbia genannt.
Lob gab es hingegen für Dänemark: Das dänische Parlament habe sich auf ein Klimagesetz geeinigt, das für aktuelle und zukünftige Regierungen verbindlich ist und darüber hinaus im Einklang mit dem Ziel von maximal 1,5°C Erderwärmung steht, so CAN. „Im Grunde genommen hat Dänemark die Wissenschaft in Recht umgesetzt,“ lobte die NGO. Positiv hervorzuheben sei auch das Ziel Kopenhagens, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 70 Prozent zu reduzieren.
Deutsche Nüchternheit: Der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth hat am Montag zu Beginn der neuen COP-Woche vor zu hohen Erwartungen gewarnt. Er erklärte: „Ich glaube nicht, dass es eine Flut von Ländern geben wird, die ihre Ambitionen erhöhen.“ Andererseits sehe man immerhin bei „mehreren Ländern“ den Willen, Fortschritte zu machen.
Wie der Rest der internationalen Klimadiplomatie-Blase, die sich diese Woche in Madrid trifft, dürfte der deutsche Staatssekretär vor allem auf gespannt auf das Ergebnis des EU-Ratsgipfels Ende der Woche (12. und 13. Dezember) in Brüssel warten. Dort entscheidet sich, ob die EU-Mitgliedstaaten endlich grünes Licht für das von der EU-Kommission vorgeschlagene Ziel „Klimaneutralität bis 2050“ geben. Sollte dies der Fall sein, könne auch das Emissionsminderungsziel der EU für 2030 von 40 Prozent „nicht so bleiben, wie es aktuell ist“, betonte Flasbarth.
Unternehmen reihen sich ein: Während ein Großteil der politischen Welt also auf die Ergebnisse des EU-Gipfels wartet, reihen sich zahlreiche Firmen in die Forderungen in Richtung Brüssel ein: Führungskräfte von europäischen Unternehmen wie Unilever, Ikea, EDF, Acciona und Iberdrola forderten die EU auf, das Klimaneutralitätsziel für 2050 zu bestätigen sowie das Emissionsreduzierungsziel 2030 von 40 auf „mindestens 55 Prozent“ anzuheben.
Die Unternehmen sind Teil der European Corporate Leaders Group (CLG Europe), die die EU bereits im vergangenen Monat aufgefordert hatte, ihre Klimaziele zu erhöhen.
Notfalls ohne Washington: Auch auf der anderen Seite des Atlantiks bewegt sich etwas. Heute wird der Co-Vorsitzende von „America’s Pledge“ und Ex-Bürgermeister von New York City, Michael Bloomberg, den Vereinten Nationen offiziell seinen dritten Bericht zur Analyse der Treibhausgasemissionen der USA vorstellen. Der Bericht solle der Welt zeigen, inwieweit US-Bundesstaaten, Städte, Unternehmen und andere Organisationen (die im UN-Jargon als „nichtstaatliche Akteure“ bezeichnet werden) die Möglichkeit haben, die Emissionen deutlich zu reduzieren. In dieser Hinsicht wird darauf verwiesen, dass diese nichtstaatlichen Akteure fast 70 Prozent des BIP des Landes repräsentieren. Im Bericht soll deutlich gemacht werden, welche Ziele die USA bis 2030 erreichen können – auch, wenn diese nicht vom Weißen Haus unterstützt würden.
Seit seiner Gründung im Juli 2017 veröffentlicht America’s Pledge jährlich Bewertungen von nicht-bundesstaatlichen Maßnahmen zur Reduzierung der amerikanischen Treibhausgasemissionen.
Investoren fordern die Wende: 631 institutionelle Investoren, die mehr als 37 Billionen Dollar an Vermögen verwalten, forderten am Montag die Regierungen der Welt auf, die Stromerzeugung aus Kohle weltweit abzuschaffen, einen „sinnvollen“ Preis für CO2-Emissionen festzulegen, die Subventionen für fossile Brennstoffe zu beenden und die national festgelegten Beiträge zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens zu verstärken.
„Die globale Wende hin zu sauberer Energie ist im Gange, aber die Regierungen müssen noch viel mehr tun, um diesen Übergangsprozess zu beschleunigen und die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft, Gesellschaft und des Finanzsystems gegenüber Klimarisiken zu verbessern,“ schreiben die Investoren. Sie warnen außerdem, bei den derzeitigen Zusagen der nationalen Regierungen gebe es eine „Ambitionslücke“. Nach dem bisherigen Stand könne nicht verhindern werden, dass die globale Durchschnittstemperatur über die 1,5-Grad-Schwelle steigt, von der Wissenschaftler warnen, dass sie „katastrophale und irreversible Folgen“ durch den Klimawandel auslösen könnte.
Nucléaire, adieu?: In Frankreich zeichnet sich eine Energiewende ab. Laut einem am Montag veröffentlichten Bericht des Datenanalyseunternehmens GlobalData wird erwartet, dass die Kernenergie, die derzeit die dominante Energiequelle in Frankreich ist, bis 2027 von den erneuerbaren Energien überholt wird. Der Bericht zeigt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien in Frankreich bis 2023 voraussichtlich 42,9 Prozent des Strommixes des Landes erreichen wird, gegenüber 19,9 Prozent im Jahr 2018.
Die Regierung in Paris hatte beschlossen, langfristig ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und daher Kohle- und Ölfeuerungsanlagen durch gasbasierte Anlagen zu ersetzen. Darüber hinaus soll auch die Atomenergie reduziert werden, wie der Bericht betont. Geplant sei demnach, bis 2035 etwa 14 Kernreaktoren stillzulegen und die so entstehende Lücke mit erneuerbaren Energiequellen zu schließen.
Im Jahr 2018 machte die Atomenergie 47,2 Prozent des französischen Energiemixes aus.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]