Die belgische Regierung hat am Karfreitag ein neues Energiegesetz verabschiedet. Demnach steigt das Land zwischen 2022 und 2025 aus der Atomenergie aus.
Die belgische Bundesregierung hat ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die sieben Kernreaktoren des Landes bis 2025 abgeschaltet werden sollen.
Neben weiteren Maßnahmen werden somit auch die umstrittenen Kernkraftwerke Doel und Tihange geschlossen sowie weitere Investitionen in den Aufbau von Kapazitäten für erneuerbare Energien, insbesondere in Offshore-Windparks, getätigt.
Belgien bezieht etwa 40 Prozent seines Strombedarfs aus Atomkraftwerken, und über 50 Prozent dieses Stroms werden von Doel und Tihange gedeckt. Somit wird das Land, das die meisten EU-Institutionen beheimatet, massiv in erneuerbare Energiekapazitäten investieren oder verstärkt auf Erdgas setzen müssen.
Nach Frankreich, der Slowakei und der Ukraine liegt das Land weltweit an vierter Stelle, was den höchsten Anteil der Kernenergie am nationalen Energiemix betrifft.
Belgien hinkt derzeit bei der Erreichung seines Ziels von 13 Prozent erneuerbare Energien bis 2020 hinterher. Die jüngsten Eurostat-Daten zeigen, dass nur 8,7 Prozent des belgischen Energiebedarfs mit Solar-, Wind- und anderen erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden.
Eine endgültige Entscheidung über die Schließung der Kernkraftwerke könnte Belgien daher den benötigten Anstoß geben, mehr erneuerbare Energiekapazitäten aufzubauen. Im jetzt beschlossenen Energiepakt wird außerdem festgehalten, dass das Land seine nationale Energiestrategie für 2030 bis zum nächsten Jahr verabschieden wird.
Altmodische Energie
Nach Angaben der World Nuclear Association sind die derzeit in Betrieb befindlichen Reaktoren in Doel und Tihange bis Ende 2025 genehmigt. Die Entscheidung für den Atomausstieg bedeutet daher letztlich wohl, dass in diesen beiden Fällen die Laufzeitgenehmigungen schlicht nicht verlängert werden.
Aber: Die Anlagen sind in der Vergangenheit durch Sicherheitsbedenken und dem fortgeschrittenen Alter der Reaktoren durchaus negativ aufgefallen. In beiden Kraftwerken wurden im Jahr 2013 Mikrorisse in Reaktoren entdeckt und bis 2015 geschlossen, während umfangreiche Sicherheitskontrollen durchgeführt wurden. Umweltgruppen zeigten sich dennoch empört, als die Betriebslizenzen bis 2025 verlängert wurden. Dann werden die Reaktoren in Doel und Tihange fast ein halbes Jahrhundert alt sein.
Beide Kraftwerke liegen nahe der niederländischen und deutschen Grenze. In den Niederlanden gibt es nur einen in Betrieb befindlichen Kleinreaktor; Deutschland hat bekanntlich angekündigt, alle seine Kernkraftwerke zu schließen. Die Reaktionen auf den geplanten Ausstieg Belgiens sind bisher verhalten, da die Entscheidung noch bis zum 31. Mai von den Ministern abgesegnet werden muss.
Die belgische Industrieorganisation Forum Nucléaire kritisierte jedoch in einer Erklärung, der Ausstieg aus der Atomenergie würde die Chancen Belgiens, seine Klimaziele zu erreichen, deutlich beeinträchtigen. So könnten sich die Emissionen ohne Nutzung der Atomenergie bis 2050 verdreifachen.
Das Forum fügte hinzu, Belgien laufe Gefahr, seine geopolitische Stellung zu schwächen, da das Land sich demnächst auf andere Staaten verlassen müsste, um seinen Strombedarf zu decken: So sei es wahrscheinlich, dass sich beispielsweise russisches Gas und/oder Strom aus französischen Kernkraftwerken als wichtige Energiequellen durchsetzen würden.
Und Polen?
Während Belgien also auf ein Ende der Atomenergie zu bauen scheint, will Polen seinen ersten Reaktor bauen. Energieminister Krzysztof Tchórzewski sagte vergangene Woche bei einer Veranstaltung, eine Investitionsentscheidung müsse „so bald wie möglich“ getroffen werden, um die Dekarbonisierung der Wirtschaft des größten östlichen EU-Mitglieds voranzutreiben.
Tchórzewski betonte: „Alle unsere Analysen zeigen, dass wir uns in diese Richtung bewegen müssen.“ Er wiederholte seine Ankündigungen vom vergangenen September, laut denen Polen drei Blöcke für die Kernenergieerzeugung bauen will. Die Kosten werden auf fast 6 Milliarden Euro geschätzt; und 2030 ist als der früheste Zeitpunkt für die Inbetriebnahme eines Reaktors vorgesehen.
Energieexperten gehen davon aus, dass es mehrere Jahre dauern würde, bis Polen die notwendigen Vorbereitungen getroffen hat, und dass der Bau selbst etwa sechs Jahre in Anspruch nehmen dürfte.
Da erneuerbare Energiequellen praktisch täglich billiger werden, treffen die polnischen Pläne allerdings auf Skepsis. Im Angesicht der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 und der Tschernobyl-Katastrophe von 1986, von der auch Nordpolen betroffen war, bestehen weiterhin ernste Sicherheitsbedenken im In- und Ausland.
Probleme auch in Großbritannien
Offizielle Daten der britischen Regierung haben derweil gezeigt, dass die Wind- und Solarenergieerzeugung im vierten Quartal 2017 erstmals die Kernenergie überholt hat. Beide erneuerbaren Energiequellen erzeugten gemeinsam 18,33 Terawattstunden (TWh) Strom – im Vergleich zu 16,69 TWh aus Kernkraft, wie die Zahlen des Ministeriums für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie zeigen.
Obwohl die erneuerbaren Energien immer noch nicht mit Erdgas mithalten konnten, das über 35 TWh erzeugte, nahmen grüne Organisationen wie Greenpeacewar diese Steigerung der erneuerbaren Energie zum Anlass, um Westminster zu drängen, die Atomindustrie nicht mehr finanziell zu unterstützen und mehr Geld in Wind und Sonne zu investieren.
Großbritanniens jüngster Vorstoß in der Kernenergie – der Ausbau der Anlage in Hinkley Point – erweist sich aus verschiedenen Gründen als umstritten. Angeblich gehen die Pläne weit über das geplante Budget hinaus und liegen darüber hinaus auch hinter dem Zeitplan zurück.
Die Kontroverse wurde weiter geschürt, als bekannt wurde, dass angeblich radioaktiver Schlamm, der an der Baustelle in England ausgebaggert wurde, in Gewässern in der Nähe der walisischen Hauptstadt Cardiff entsorgt worden ist. Tests haben zwar kürzlich ergeben, dieser Bau-Schlamm sei in Wirklichkeit sicher, walisische Politiker kritisierten ihre eigene Regierung dennoch für den „Ausverkauf an London“.