Überraschung heute Vormittag in Berlin: Trotz des anhaltenden Widerstands einiger EU-Mitglieder rechnet Bundesumweltministerin Barbara Hendricks noch im März mit einer Einigung auf ehrgeizigere Klimaziele. Dies teilte sie bei der gemeinsamen Vorstellung des nächsten EU-Umweltaktionsprogramms mit Umweltkommissar Janez Poto?nik mit. Opposition und NGOs halten davon jedoch wenig.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks erwartet noch im März eine EU-Einigung auf ein neues Klimaziel für 2030. Sie gehe davon aus, dass die Vorgabe von 40 Prozent weniger Kohlendioxid im Vergleich zu 1990 gebilligt werde, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des 7. Umweltaktionsprogramms der EU gemeinsam mit EU-Umweltkommissar Janez Poto?nik. „Da bin ich sehr zuversichtlich, dass dies gelingt“, so Hendricks. Ende März könnten die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel in Brüssel dies beschließen. Die Vorgabe ist in der EU umstritten. Vor allem osteuropäische Länder wie Polen, die stark auf die Verstromung von Kohle mit hohem CO2-Ausstoß setzen, halten sie für zu ehrgeizig. Insgesamt 15 Staaten haben sich aber Hendricks zufolge bereits dazu bekannt. Das Ziel entspricht dem Vorschlag der Kommission. Das EU-Parlament muss dann noch zustimmen.
Hendricks dringt auf deutsches Klimaschutz-Sofortprogramm
Deutschland will die 40 Prozent bereits 2020 erreichen. Hendricks räumte jedoch ein, dass nach derzeitigem Stand allenfalls 35 Prozent erreicht werden können. „Wir brauchen ein Sofortprogramm“, sagte sie. Dies müsse auch den Verkehrs- sowie den Wärme- und Bau-Sektor umfassen. Neben der Stromerzeugung sind diese Bereiche im Wesentlichen für den CO2-Ausstoß verantwortlich. Der CO2-Ausstoß ist in Deutschland zuletzt wieder gestiegen, weil Kohlekraftwerke zulasten der teureren aber vergleichsweise umweltfreundlichen Gaskraftwerke länger liefen. Weiter deutete Hendricks an, Deutschland könnte sich auf das von der Kommission vorgeschlagene Ziel von 27 Prozent Erneuerbare-Energien-Anteil bis 2030 in der EU einlassen. Eigentlich will Deutschland mehr, mindestens 30 Prozent. In einer deutsch-französischen Erklärung hatten sich beide Staaten jedoch bereits hinter das 27-Prozent-Ziel gestellt. Hendricks sagte nun, in den Jahren bis 2030 könne die Vorgabe verschärft werden. „Ambitioniertere Ziele in der Periode sind erwünscht und durchaus möglich“. Juliette de Grandpré vom WWF genügen die Ankündigungen von Bundesministerin Hendricks allerdings nicht. „Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist nicht gut“, sagt sie auf Nachfrage von EURACTIV.de. „Die Zahlen im Kommissionsvorschlag sind sehr weit weg von unseren Vorstellungen. Und unsere Vorstellungen sind im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen.“ Der WWF fordert in einem Positionspapier gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von 55 Prozent bis 2030 sowie einen Anteil an Erneuerbaren von 45 Prozent. De Grandpré teilt Hendricks‘ Einschätzung, dass das Paket beim anstehenden EU-Gipfel vom 20. bis 21. März tatsächlich durchkommen könnte. Polen werde den anderen Mitgliedern nächste Woche ein Positionspapier präsentieren, das konkrete Bedingungen für seine Zustimmung enthalte. Polen suche seit der Verschärfung des Ukraine-Konflikts den Schulterschluss mit den EU-Partnern und bewege sich deshalb auch bei den Klimaverhandlungen, so die Analyse der WWF-Expertin. Freuen kann sich de Grandpré trotzdem nicht. Aus ihrer Sicht sei es sinnvoller, mit der Einigung auf Zielvorgaben noch zu warten. „Lieber mehr Zeit und ein besseres Paket als etwas schnelles im März, das uns für die nächsten Jahre blockieren könnte.“ Denn sind die Zahlen einmal fix, ließen sie sich nur noch schwer ändern, fürchtet die Expertin. So sieht es auch Simone Peter, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, gegenüber EURACTIV.de: „In der Klimapolitik müssen sich die Umweltminister zu mutigeren Schritten durchringen. Das geplante EU-Ziel von 40 Prozent CO2-Minderung bis 2030 würde auf ein Jahrzehnt klimapolitischen Stillstands hinauslaufen. Das untergräbt die Bemühungen um ein globales Abkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens zwei Grad.“
Hintergrund: Umweltaktionsprogramm für ein „gutes Leben“
Bei der Vorstellung des 7. Umweltaktionsprogramms der EU bekannten sich Hendricks und Poto?nik gemeinsam zu einer „ambitionierten EU-Umweltpolitik“. Sowohl der Umwelt- als auch der Klimaschutz seien zentrale Grundlagen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und ein „gutes Leben“ in Europa, sind sich beide einig. Das Programm gibt den Rahmen vor für die Umwelt- und Klimapolitik der Europäischen Union bis 2020. Beschlossen wurde es Ende 2013 vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten, vorgelegt hatte es die EU-Kommission. Es umfasst neun prioritäre Ziele, darunter den Übergang zu einer ressourceneffizienten, umweltschonenden und wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft, ein wirksames Vorgehen gegen umweltbezogene Gesundheitsrisiken und eine verbesserte Umsetzung des EU-Umweltrechts. EURACTIV/rtr/pat
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EU-Kommission: Environment Action Programme to 2020 BMUB: Umweltaktionsprogramme WWF: Positionspapier Mehr zum Thema auf EURACTIV.de Klimaschutz: Verspielt Brüssel seine Vorreiterrolle? (23. Januar 2014) Tiefschlag gegen Klimaschutz und Energiewende? (15. Januar 2014) Parlament fordert verbindliche Energie- und Klimaziele bis 2030 (9. Januar 2014)