Ungarn ändert Mediengesetz

Der belgische Premier Yves Leterme (R) hat die Ratspräsidentschaft Anfang Januar an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán (L) übergeben. Die Kritik an Ungarn hat seitdem zugenommen. Foto: EC

Der Druck der EU zeigt Wirkung: Ungarn wird sein umstrittenes Mediengesetz ändern. Die Kommission ist nun zufrieden. Die Kritiker im EU-Parlament sind enttäuscht.

Die ungarische Regierung hat angekündigt, einige der umstrittenen Passagen ihres Mediengesetzes zu ändern. Damit reagiert Ungarn auf die seit Dezember 2010 schwelende Kritik an dem neuen Gesetz. EU-Kommissarin Neelie Kroes begrüßte gestern offiziell die Entscheidung aus Budapest. Das angedrohte Vertragsverletzungsverfahren ist nun vom Tisch. Kommissionssprecher Jonathan Todd kündigte an, dass die EU-Kommission die Umsetzung der Änderungen genau beobachten werde.

Eine Resolution des Europäischen Parlements zu Ungarn wurde aufgrund der neuen Wendung verschoben.

Orbáns Zugeständnisse

Ungarn hat in vier Bereichen Zugeständnisse gemacht:

– Die Pflicht zur "ausgewogenen Berichterstattung" wird auf Rundfunk und Fernsehen beschränkt (private Internetblogs bleiben verschont);
– Ausländische Medien, die in Ungarn senden, fallen nicht unter das Gesetz;
– Die Registrierungspflicht für Medien wird gelockert;
– Die Strafandrohung für "anstößige Berichterstattung" wird auf die Anstiftung zu Diskriminierung und Hass beschränkt.

Keine Änderungen wird es bei der politisch kontrollierten Medienaufsichtsbehörde NMHH geben. Die positive Reaktion der Kommission stößt im Europäischen Parlament bei den Sozialdemokraten, Liberalen, Linken und den Grünen daher auf Unverständnis.

Kritik im EU-Parlament

"Es reicht bei Weitem nicht aus, nur bestimmte Verstöße gegen die audiovisuelle Medienrichtlinie wie die Registrierungspflicht der elektronischen Medien zu korrigieren, während wesentliche Teile des Gesetzes zur Presse- und Medienfreiheit von Änderungen unberührt bleiben", erklärte die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel.

"Man darf sich nicht wundern, wenn die ungarische Regierung nur kosmetische Korrekturen anbietet. Schließlich hat die Kommission schlicht die falschen Fragen gestellt. Es reicht nicht aus, lediglich das Fehlen von Kriterien für eine ausgewogene Berichterstattung zu kritisieren und zu bemängeln, dass Ausgewogenheit ein Gebot für alle Medien sei, wenn nicht gleichzeitig der einseitig politisch besetzte Medienrat, der über die Einhaltung des Grundsatzes wachen soll, in den Blick genommen wird. Gerade daraus ergibt sich der grundrechtsrelevante Sprengsatz des Gesetzes", ergänzt ihre SPD-Kollegin Petra Kammerevert.

Auch die Grünen betonen, dass die Hauptprobleme ungelöst bleiben, vor allem die Frage der politisch kontrollierten Aufsichtsbehörde. "Dieses Gesetz wurde mit der Absicht geschrieben, die Medienfreiheit in Ungarn einzuschränken und die kritische Kontrolle der Regierung durch die Medien zu unterbinden. Kommission und Rat müssen weiterhin auf eine komplette Überarbeitung oder eine Rücknahme dieses Gesetzes drängen", sagte die Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms.

Unterstützung der Konservativen

Die Konservativen im Europäischen Parlament weisen die Kritik aus den Reihen von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken am ungarischen Mediengesetz weiterhin als "ungerechtfertigt und von Neid getrieben" zurück. In Ungarn regieren die Konservativen (FIDESZ) unter Ministerpräsident Viktor Orbán mit einer Zweidrittel-Mehrheit.

"Die Regierung Orbán hat alle Forderungen erfüllt und wird die EU-Standards zur Zufriedenheit der Kommission übernehmen. Wir werden die Umsetzung in der Praxis im Auge behalten, uns aber jetzt auf die inhaltliche Arbeit bei der laufenden EU-Gesetzgebung konzentrieren", sagte der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen.

Die ungarische Regierung müsse verantwortungsvoll mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit umgehen, betonte Langen. "Ich bin mir sicher, dass Orbán sie weise und intelligent nutzt, um mit einer Reformpolitik das Land wieder in Schwung zu bringen und den Haushalt zu konsolidieren. Der Regierungschef muss allerdings darauf hinwirken, dass antisemitische oder rassistische Aussagen in seiner Partei keinen Platz haben."

Ungarns Opposition fordert Widerstand

Die Opposition in Ungarn bleibt trotz der angekündigten Änderungen skeptisch. Das Mediengesetz müsse über drei Wege zu Fall gebracht werden, erklärte Gergely Karácsony, Vizechef der ungarischen LMP-Fraktion (Grüne). "Erstens durch den Widerstand der Journalisten und der Zivilgesellschaft, zweitens durch das Verfahren durch die EU-Kommission nach geltendem EU-Recht und drittens durch das ungarische Verfassungsgericht, denn […] dieses Gesetz verstößt gegen Ungarns Verfassung."

Karácsony meinte ebenfalls, dass die von der EU-Kommission erzwungenen Änderungen wichtig seien, aber am Kernproblem vorbeigehen. Er kritisierte, dass die ungarische Regierung und die Kommission "geheim" verhandelt hätten. "Die LMP hätte sich auch eine offene Debatte mit den ungarischen Beteiligten gewünscht", so Karácsony.

Dauerkritik an Ungarn

Die ungarische Ratspräsidentschaft ist geschwächt aufgrund der Dauerkritik am Mediengesetz, an der Sondersteuer für Unternehmen, am Ungarn-Teppich und zuletzt am Verbot einer Schwulenparade.

mka, EURACTIV Brüssel

Links

EURACTIV Brüssel: Brussels happy with Hungary’s pledges on media law (17. Februar 2011)

Dokumente

Ungarische Regierung: Brief von Vize-Premier Tibor Navracsics an
Neelie Kroes, Vize-Präsidentin der EU-Kommission.
(31. Januar 2011)

EU-Kommission: Brief von Neelie Kroes zum ungarischen Mediengesetz (21. Januar 2011)

EU: Grundrechtecharta (18. Dezember 2000)

Ungarische Medienaufsicht (NMHH): Act CLXXXV of 2010 on media services and mass media (Mediengesetz)

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