In ihrer Digitalstrategie hat sich die EU-Kommission verpflichtet, „Technologie, die für die Menschen arbeitet“, zu fördern: die digitalen Fähigkeiten der europäischen BürgerInnen und Unternehmen soll erhöht, die Marktmacht der Technologie-Giganten eingeschränkt und das Nachhaltigkeitspotenzial der IKT erschlossen werden.
In dem Dokument heißt es, dass „Unternehmen einen Rahmen brauchen, der es ihnen ermöglicht, Daten zu erschließen, zu skalieren, zu bündeln und zu nutzen, Innovationen vorzunehmen und zu konkurrieren oder zu fairen Bedingungen zusammenzuarbeiten“.
Um dies zu erreichen, will die Kommission die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen steigern, indem sie einerseits ihren Zugang zu qualitativ hochwertigem Internet, Daten und digitalen Kompetenzen verbessert und andererseits marktverzerrende Vorteile der Wettbewerber ausgleicht.
Schärfen alter Werkzeuge
Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, ist die Kommission bereit, „alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen“, und verspricht, dass jeder Akteur, der in der EU Geschäfte machen will, „unsere Regeln akzeptiert und respektiert“.
Diese Regeln müssen offline und online gleich sein, „von den Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln, dem Verbraucherschutz bis hin zu geistigem Eigentum, Steuern und Arbeitnehmerrechten“. Auch die europäischen Wettbewerbsregeln werden einer „Eignungsprüfung“ hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf die digitale Wirtschaft unterzogen, einschließlich einer Überprüfung der Leitlinien für staatliche Beihilfen.
In der Strategie wird betont, dass dies nicht nur durch das Schreiben neuer Regeln, sondern auch durch die wirksamere Durchsetzung alter Regeln geschehen soll. Um wiederum europäische Unternehmen auf ausländischen Märkten zu unterstützen, verspricht die Kommission, sich mit „ungerechtfertigten Beschränkungen“ wie Datenlokalisierungsanforderungen in Drittländern auseinanderzusetzen.
Die Jagd auf Giganten
Mit der Kommissarin Margrethe Vestager an der Spitze ist es keine Überraschung, dass das Dokument große Technologieunternehmen mit Marktmacht ins Visier nimmt. Sie werden in dem Dokument als „große private Gatekeeper zu Märkten, Kunden und Informationen“ bezeichnet. Das Dokument betont, dass ihre „systemische Rolle“ den fairen Wettbewerb nicht gefährden darf.
Wo die Wettbewerbspolitik nicht ausreicht, um solche systemischen Probleme der Plattformwirtschaft anzugehen, würde die Kommission zusätzliche Regelungen, wie beispielsweise Ex-ante-Regeln, erlassen, um „die Anfechtbarkeit, Fairness und Innovation und die Möglichkeit des Marktzugangs zu gewährleisten“ sowie die öffentlichen Interessen „über den Wettbewerb oder wirtschaftliche Erwägungen hinaus“ zu schützen.
Sie sollen als Teil des gegen Ende des Jahres geplanten Digital Service Act-Pakets vorgeschlagen werden, begleitet von einer Sektoruntersuchung zur Ermittlung von Hindernissen für einen fairen Wettbewerb in der digitalen Wirtschaft.
Das Digital Services Act-Paket wird auch die Verantwortung von Online-Plattformen und Informationsanbietern erhöhen und die Kontrollmöglichkeiten der EU über ihre Inhaltspolitik stärken.
In Bezug auf die Besteuerung der digitalen Welt weist die Strategie darauf hin, dass die Gewinne der großen digitalen Akteure häufig nicht dort besteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden, was den Wettbewerb weiter verzerrt. Eine Kommunikation über die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert wird ohne einen konkreten Zeitrahmen angekündigt, die den Fortschritt der laufenden Verhandlungen bei der OECD berücksichtigen soll.
Die Menschen auf den neuesten Stand bringen
Um den europäischen Unternehmen zu helfen, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, stellt die Kommission mehrere unterstützende Maßnahmen vor. Bis 2021 werden die Investitionen in die europäische Gigabit-Konnektivität durch eine Überarbeitung der Vorschriften für Breitband, 5G und 6G sowie die Frequenzpolitik vorangetrieben.
Dies soll dazu beitragen, die Konnektivitätsziele der EU zu erreichen: Gigabit-Verbindungen für Unternehmen (und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser) und mindestens 100 Mbps für Haushalte.
Die Pläne der EU-Führungskräfte für digitale Fertigkeiten werden durch einen verstärkten Aktionsplan für digitale Bildung gestärkt, der in diesem Halbjahr veröffentlicht werden soll. Zur Stärkung der Cybersicherheit wurde auch eine europäische Cybersicherheitsstrategie angekündigt, wenn auch wiederum ohne Zeitplan.
Diese wird eine neu geschaffene gemeinsame Cybersicherheitseinheit und eine Überprüfung der Vorschriften über die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen (NIS) umfassen.
IKT für die Zukunft
Digitale Lösungen werden bei den Bestrebungen der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, eine entscheidende Rolle spielen, heißt es in der Strategie.
Da der IKT-Sektor laut den Daten des Dokuments für zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen (so viel wie der Flugverkehr) verantwortlich ist, mit einem potenziellen Anstieg auf 14 Prozent bis 2040, will die Kommission die Rechenzentren und die IKT-Infrastruktur bis 2030 klimaneutral gestalten.
Dies wird durch aktualisierte Vorschriften zur Langlebigkeit und Reparierbarkeit von Geräten, etwa für Smartphones, ergänzt.
Um den sektorübergreifenden Fußabdruck zu verkleinern, sieht die Strategie vor, große Daten und KI zur Effizienzsteigerung und damit zur siebenfachen Reduzierung der globalen Emissionen zu nutzen. Die Verfolgung des Energieverbrauchs könnte dabei helfen, vorherzusagen, wann und wo Strom benötigt wird (und wo nicht).
Durch Präzisionslandwirtschaft könnten die landwirtschaftlichen Produzenten, so die Kommission, ihren Pestizideinsatz verringern. Intelligente Mobilität könnte zudem die Effizienz des Transports erhöhen.
„Dies ist ein guter Anfang, schöpft aber das technische Potenzial nicht aus“, sagte die deutsche Europaabgeordnete Alexandra Gänse. Sie befürwortet zwar die Klimaneutralität des IKT-Sektors, fügte aber hinzu, dass „das Training von Algorithmen mit riesigen Datenmengen kurzfristig sehr viel Energie verbraucht“, auch wenn das Ziel des Algorithmus langfristige Effizienzsteigerungen sei.
[Bearbeitet von Benjamin Fox und Britta Weppner]