Das Europäische Parlament hat in der vergangenen Woche Änderungsvorschläge zur Erweiterung der Aufgaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) angenommen. Nun können die Gespräche mit den Mitgliedsstaaten über die zukünftige Rolle der EMA beginnen. EURACTIV.com wirft einen Blick auf die Verhandlungspositionen von Rat und Parlament.
Am vergangenen Donnerstag (8. Juli) haben die Europaabgeordneten ihre Änderungsanträge zum Vorschlag für eine „verstärkte Rolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur bei der Krisenvorsorge und dem Krisenmanagement in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte“ angenommen. Eine solche stärkere Rolle war zuvor von der EU-Kommission im November 2020 angeregt worden. Ziel sei es, bei zukünftigen Gesundheitskrisen besser vorbereitet zu sein.
Am Vortag hatte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides dem Parlament erklärt, dass die EMA zwar „absolut zentral für unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämpfung [der Pandemie]“ sei, aber ein weiterreichenderes Mandat benötige, „um für zukünftige Krisen besser gerüstet zu sein“.
Ab dieser Woche werden die Verhandlungsführer des Parlaments und die slowenische rotierende EU-Ratspräsidentschaft im Namen der EU-27-Gesundheitsminister Gespräche aufnehmen, um sich auf die Änderungen am Vorschlag der Kommission zu einigen. Sobald in diesem sogenannten Trilog eine Kompromissvereinbarung erzielt und vom Plenum des Parlaments und dem EU-Rat bestätigt werden kann, tritt die Verordnung in Kraft.
„Wir müssen die Knappheit von kritischen Medikamenten permanent überwachen, wir müssen über das Risiko der Knappheit von Medizinprodukten während einer Krise berichten [und] die Entwicklung sowie schnelle Zulassung von Medikamenten mit schneller wissenschaftlicher Beratung und rollierenden Überprüfungen forcieren,“ forderte Kyriakides.
Der Vorschlag beinhaltet unter anderem die Einrichtung von zwei neuen Steuerungsausschüssen: einen für Medikamente und einen für medizinische Geräte und Produkte. Beide sollen bei Gesundheitsnotfällen aktiv werden, um dann koordinierte Maßnahmen in Bezug auf die Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu gewährleisten.
EU-Rat fordert Klarstellungen zu Finanzen und Datenschutz
Der EU-Rat, der die 27 Mitgliedsstaaten vertritt, hatte sich bereits am 15. Juni auf sein Verhandlungsmandat geeinigt – und scheint nicht viele Änderungen am Vorschlag der Kommission zu wünschen.
Die Forderungen der Mitgliedsstaaten konzentrieren sich auf transparente und klare Finanzregelungen sowie datenschutzrechtliche Bestimmungen. Es wird hervorgehoben, dass Übertragungen von persönlichen Daten im Zusammenhang mit dem neuen EMA-Mandat den EU-Datenschutzregeln wie der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterliegen müssen. Weitere Änderungen betreffen die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Notfall-Task-Force, insbesondere ihre beratende Funktion bei der Entwicklung klinischer Studien für Arzneimittel.
„Die EMA wird uns künftig noch besser helfen, Engpässe bei kritischen Medikamenten und medizinischen Geräten zu vermeiden und schneller Medikamente zu entwickeln, um jede Krankheit zu bekämpfen, die eine Gesundheitskrise verursachen kann,“ sagte die portugiesische Gesundheitsministerin Marta Temido im Juni, kurz bevor Portugals sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft endete.
EU-Parlament will mehr Transparenz und eine Arzneimittel-Versorgungsdatenbank
Im Gegensatz dazu sind die Änderungsanträge des Parlaments umfangreicher und könnten weitere Diskussionen im kommenden Trilog auslösen. Die Änderungsanträge betreffen die Einrichtung einer neuen europäischen „Arzneimittel-Versorgungsdatenbank“, die Forderung nach besser koordinierten und transparenteren groß angelegten klinischen Studien sowie die Veröffentlichung von Zulassungsentscheidungen.
Der Berichterstatter des Parlaments, der spanische Sozialdemokrat Nicolás González Casares, fasste die Änderungsanträge im Plenum als Einsatz für „mehr Transparenz, mehr Beteiligung, mehr Koordination und mehr Prävention“ zusammen.
Die Abgeordneten fordern die Einrichtung einer Europäischen Datenbank zur Arzneimittelversorgung (EUMSD), die den Umfang der zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Vorräte ermitteln sowie Engpässe bei Arzneimitteln vorhersagen und idealerweise verhindern könnte.
Die neue Datenbank würde dauerhaft den Zugang zu und den Austausch von Informationen zwischen der EMA und den entsprechenden nationalen Behörden erleichtern. Sie würde nicht nur bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und bei größeren Ereignissen eingesetzt werden, sondern auch unter „normalen Umständen“, wobei die EMA und die Mitgliedsstaaten gleichermaßen auf diese Datenbank zugreifen können.
Zusätzlich will das Parlament, dass die EMA eine öffentlich zugängliche Webseite mit Informationen über aktuelle Engpässe bei kritischen Arzneimitteln einrichtet. „Wir setzen uns dafür ein, die Agentur mit neuen Instrumenten auszustatten, damit sie eine aktive Überwachung durchführen kann, um somit Arzneimittelengpässe zu verhindern,“ sagte González Casares.
Ein weiterer Änderungsantrag konzentriert sich auf besser koordinierte, konzipierte und transparente klinische Studien, um Doppelarbeit, die Unterrepräsentation einzelner Bevölkerungsuntergruppen und eine mangelnde Zusammenarbeit zwischen einzelnen Studien zu vermeiden. „Wir wollen klinische Studien für die Entwicklung von Impfstoffen und Behandlungen fördern und auch die Information der Öffentlichkeit darüber verstärken,“ so der Berichterstatter.
Das Parlament stimmte außerdem für ständige Beobachter aus Verbänden oder Gremien, die Patient:innen und medizinische Fachkräfte vertreten, sowie für die Einbeziehung von Beiträgen Dritter – einschließlich der Inhaber von Marktzulassungen und Patenten oder Großhändlern – in die Lenkungsgruppe für Arzneimittel und die Lenkungsgruppe für Medizinprodukte.
Casares fügte abschließend hinzu, das Parlament wolle „die Arbeit der Lenkungsgruppen transparenter machen, die Rolle der Angehörigen der Gesundheitsberufe stärken sowie Synergien zwischen den einzelnen EU-Agenturen fördern.“
[Bearbeitet von Gerardo Fortuna]