Die EU-Kommission plant, nachhaltige Kraftstoffe im Flugverkehr zu fördern und hat dazu gestern eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Die Optionen auf dem Tisch rangieren von Pflichtquoten zu einem Auktionshandel.
„ReFuelEU“ lautet der Name des Programms, mit dem die EU-Kommission die Emissionen des Flugsektors bis 2050 um 90 Prozent reduzieren möchte. Schlüsselelement dafür sind nachhaltige Treibstoffe (SAFs) für Flugzeuge, die das fossile Kerosin ersetzen sollen. Wie das geschehen könnte, soll bis Jahresende ausgearbeitet werden. Gestern hat die Kommission dazu eine öffentliche Konsultation gestartet.
In ihren Vorschlägen zu ReFuelEU zieht die Behörde eine Reihe von Optionen zur Förderung von SAFs in Erwägung. Dazu gehören:
- Eine Mindestquote für SAF-Mengen, die Fluggesellschaften einsetzen müssen, oder ein Mindestziel zur Reduktion von Treibhausgasen durch den Einsatz von Flugzeugkraftstoffen .
- Eine Anhebung der Anrechnungsquote von SAFs im Rahmen der Erneuerbare-Energien Richtlinie (RED II) der EU. Die Richtlinie schreibt den Mitgliedsstaaten individuelle Ziele für den Verbrauch erneuerbarer Energien vor, darunter auch im Transportbereich. Bislang wird der Einsatz von SAFs um den Faktor 1,2 multipliziert, die Kommission schlägt nun vor, pauschal 20 Prozent auf den tatsächlichen Gebrauch anzurechnen.
- Auktionen für SAFs, ähnlich wie bei erneuerbaren Energien in Deutschland. Demnach würden SAF-Produzenten ihren Kraftstoff zu einem möglichst günstigen Preis feilbieten, um den Marktpreis zu senken.
Weitere Anreize könnten über eine Überarbeitung der Richtlinie für Energiebesteuerung und der Regelungen für das europäische CO2-Handelssystem geschaffen werden, in dessen Rahmen Fluggesellschaften sich den Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe theoretisch auf ihr Zertifikate-Konto anrechnen lassen können. Bislang hat allerdings keine Airline davon Gebrauch gemacht. Beide Richtlinien sollen bis 2021 überarbeitet werden.
Obwohl Flugreisen nur etwa drei Prozent der gesamten CO2-Emissionen der EU verursachen, gilt die Branche als Sorgenkind der Umweltpolitik. Zwar wurden die Emissionen in den vergangenen Jahren durch effizientere Flugzeugtechnik deutlich gesenkt – so fiel der Kraftstoffverbrauch pro Passagier zwischen 2005 und 2017 um fast ein Viertel – gleichzeitig wächst die Zahl der Flüge aber stark an. Bis 2040 könnte sich das Flugaufkommen um 42 Prozent im Vergleich zu 2017 steigern, schätzt die EU-Kommission. Um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, wird der Flugsektor sich in den kommenden 30 Jahren fast vollständig dekarbonisieren müssen und klimaneutral werden.
Mangel an Alternativen
Da weder Wasserstoff noch elektrisch betriebene Flugzeuge technologisch ausgereift sind, setzt die EU vor allem auf flüssige Biokraftstoffe und E-fuels, also Kraftstoffe, die durch erneuerbaren Strom erzeugt werden. Beide können die Treibhausgasemissionen eines Flugzeugs um über 80 Prozent reduzieren, bislang machen sie aber nur 0,05 Prozent des europäischen Marktes aus. Der Großteil der SAFs wird bisher im EU-Ausland getankt. Ohne die Hilfe seitens der Politik würde sich der karge Anteil nachhaltiger Kraftstoffe bis 2050 auf gerade einmal 2,8 Prozent steigern, schätzt die EU-Kommission. „Dem Luftverkehrssektor fehlen unmittelbare Alternativen für den Antrieb von Verkehrsflugzeugen“, schreibt die Kommission.
Das Problem liegt an den Kosten der SAFs. Biokraftstoffe gelten zudem als problematisch, weil der Anbau von Pflanzen für die Gewinnung von Kraftstoffen zu Landnutzungskonflikten führt. Biokraftstoff kann theoretisch auch aus Abfällen verwendet werden, deren effektivster Einsatz liegt allerdings eher im Bereich von Biodiesel für Autos. Dazu kommt, dass sogar die Lizensierung von SAFs bisher aufwendig und teuer ist.
Eine Milliarde Euro aus CO2-Handel stünde bereit
Damit nachhaltige Kraftstoffe einen Markthochlauf erleben, empfiehlt der Think Tank Transport & Environment, eine Mindestquote von einem bis zwei Prozent ab 2030 in der RED II – Richtlinie festzuschreiben. Damit würden sich die Treibstoffkosten zwar um etwa 4,5 – 9 Prozent erhöhen, heißt es in einer Stellungnahme von Mitte Juli. Gleichzeitig würden für jeden Prozentpunkt Investitionen in erneuerbare Energien und in Elektrolyseanlagen von etwa 9,4 Milliarden Euro angekurbelt. Um E-fuels in dieser Menge zu produzieren, wäre allerdings eine zusätzliche Kapazität von 13-26 Terrawattstunden erneuerbaren Stroms nötig – das entspricht etwa der zwei- bis vierfachen Menge der derzeitigen Offshore-Kapazitäten Deutschlands.
Das ist viel und teuer. Rückenwind kommt aber aus der Branche selbst. Anfang Juni forderte der internationale Dachverband der Fluggesellschaften IATA, mit den Konjunkturprogrammen für Covid-19 auch den Markthochlauf von SAFs zu unterstützen, um bis 2025 einen Anteil von zwei Prozent zu erreichen. „So sehr Fluggesellschaften SAFs einsetzen möchten, liegt die Produktion weit unter dem Maßstab, der erforderlich ist, damit die Preise auf ein wettbewerbsfähiges Niveau fallen“, schrieb IATA-Chef Alexandre de Juniac. Dafür brauche es einen sicheren fiskalischen und regulatorischen Rahmen. Investitionen in zukunftssichere SAFs seien „umso wichtiger, da die Verluste und die Verschuldung der Branche steigen.“
Um den notwendigen wirtschaftlichen Rahmen zu schaffen, macht der Think Tank Transport & Environment zwei Vorschläge. So könnte mithilfe von langfristigen Lieferverträgen, sogenannten PPAs, der Handel von SAFs zwischen Produzenten und Fluggesellschaften gesichert werden. Außerdem könnten staatlicher Subventionen in Form sogenannter Differenzkontrakte (CfDs) den preislichen Unterschied zum herkömmlichen Kerosin ausgleichen. Finanziert werden solle das aus jährlich einer Milliarde Euro aus dem ETS-Handel, wenn die freie Zuteilung von Verschmutzungsrechten an Fluggesellschaften eingestellt würde.