Der Aufsichtsrat der Lufthansa hat sich am Mittwoch aufgrund von EU-Bedingungen vorerst geweigert, das Hilfspaket in Höhe von neun Milliarden Euro zu akzeptieren. Die Europäische Kommission hatte zuvor gefordert, die Fluggesellschaft müsse dafür gewisse Abflug- und Lande-„Slots“ an zwei ihrer wichtigsten Drehkreuze abtreten.
Die Lufthansa-Führungskräfte hatten sich am Montag mit der Bundesregierung auf eine Rettungsaktion geeinigt, die allerdings noch der Zustimmung des Aufsichtsrats sowie der EU bedarf, damit die Zahlungen tatsächlich fließen können.
Bei der bisher größten Fluglinien-Rettungsaktion in Europa hat sich die Regierung in Berlin bereiterklärt, sich in erheblichem Umfang an der Lufthansa zu beteiligen, um dem Unternehmen zu helfen, den durch den Coronavirus-Ausbruch verursachten Nachfrageeinbruch im Luftverkehr zu überleben.
Gestern kündigte der Aufsichtsrat der Fluggesellschaft eine Verzögerung der Entscheidung über das Neun-Milliarden-Euro-Paket an.
Der Grund: Die aus den EU-Forderungen „resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Unternehmen“ sowie mögliche Alternativszenarien müssten zunächst „intensiv geprüft werden“.
In einer Pressemitteilung heißt es dazu weiter: „Der Aufsichtsrat hat die aktuell indizierten Auflagen der EU Kommission zur Kenntnis genommen. Sie würden eine Schwächung der Drehkreuzfunktion an den Heimatflughäfen der Lufthansa in Frankfurt und München zur Folge haben.“
Weitere Verhandlungen wahrscheinlich
Medienberichten zufolge will die EU-Exekutive, dass die Lufthansa 72 ihrer lukrativen Start- und Lande-Slots an den beiden größten deutschen Flughäfen (dauerhaft) aufgibt. Angeblich sei die Airline bereit, dies tatsächlich zu erwägen – allerdings nur, wenn diese Maßnahme lediglich temporär gelte.
In ihrer Pressemitteilung räumt die Lufthansa ein: „Zur Aufrechterhaltung der Solvenz stuft der Aufsichtsrat Stabilisierungsmaßnahmen des [bundesdeutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds] aber weiter als die einzig gangbare Alternative ein.“
Es könnten also weitere Verhandlungsrunden notwendig werden.
Ein Kommissionssprecher teilte gegenüber EURACTIV.com lediglich mit, die Kommission gebe keine Kommentare zu einzelnen Fällen staatlicher Beihilfen ab. Er bestätigte aber, dass es bisher noch keine formelle Benachrichtigung aus Deutschland über die Lufthansa-Rettungsaktion gegeben habe.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte im Bundestag zum Thema: „Es ist nicht nur im deutschen Interesse, sondern es ist im Interesse der Europäischen Union, dass wir nicht zulassen, dass als Folge dieser gesundheitlichen Pandemie am Ende ein industriepolitischer Ausverkauf wichtiger Interesse Europas und der Europäischen Union und unseres eigenen Landes stattfindet.“
Probleme auch bei Brussels Airlines
Auch die Lufthansa-Tochter Brussels Airlines könnte mit den Wettbewerbshütern der EU in Konflikt geraten: Laut der Tageszeitung De Tijd ist das Beharren der belgischen Regierung auf einen Sitz im Verwaltungsrat als Gegenleistung für fast 300 Millionen Euro an Beihilfen nicht mit den EU-Regeln für staatliche Beihilfen vereinbar.
Tatsächlich besagen die neuen, deutlich gelockerten Regeln für staatliche Beihilfen – die eingeführt wurden, um den Ländern bei der Bewältigung der Viruskrise zu helfen – dass Rettungsmaßnahmen befristet und auf maximal sechs Jahre begrenzt sein müssen, um langfristige Marktstörungen zu verhindern.
Auch im Fall Brussels Airlines werden die Verhandlungen fortgesetzt.
(Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins)