Beim Glückspielrecht herrscht große Vielfalt in der EU. Die Kommission fordert deshalb die Staaten auf, das EU-Recht einzuhalten. Mit einer einheitlichen Regelung ist trotzdem in den nächsten Jahren nicht zu rechnen.
Beim Glückspielrecht herrscht oft ein sehr salopper Umgang mit dem EU-Recht. Das hat seinen Grund auch darin, dass von Staat zu Staat ein unterschiedlicher Zugang zu diesem "Geschäftszweig" besteht, sich die jeweiligen Finanzminister ihre Geldquellen nicht von der EU regulieren lassen wollen und Monopolinhaber jede Form des privaten Wettbewerbs ablehnen. Die EU-Kommission hat nun einige Mitgliedstaaten aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die von der EU vorgesehenen Grundfreiheiten nicht eingeschränkt werden. Wörtlich heißt es in der Erklärung unter anderem: "Es steht den Mitgliedstaaten im Prinzip frei, die Ziele ihrer Politik zu Online-Glücksspielen festzulegen. Sie können das grenzüberschreitende Angebot aller oder bestimmter Arten von Glücksspieldienstleistungen im Sinne des öffentlichen Interesses einschränken, zum Beispiel wegen des Verbraucherschutzes oder der Bekämpfung von Betrug und anderen kriminellen Aktivitäten. Die nationalen Glücksspielbestimmungen müssen allerdings mit dem EU-Recht im Einklang stehen."
Verfahren wegen mangelnder Transparenz und rechtlicher Ungereimtheiten
Aus 21 von insgesamt 28 EU-Staaten liegen Beschwerden bei der Binnenmarktkommission vor, wonach von den jeweiligen Staaten in Bezug auf das Glückspielrecht gegen EU-Grundfreiheiten verstoßen wird. Erst ein Teil dieser Beschwerden konnte abgearbeitet werden. Die Kommission hat bis jetzt
– Schweden aufgefordert, bei der Regulierung des Glücksspielmonopols und der Aufsicht darüber das EU-Recht im Hinblick auf den freien Dienstleistungsverkehr einzuhalten;
– ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Finnland eingestellt;
– beschlossen, ein offizielles Auskunftsersuchen hinsichtlich nationaler Rechtsvorschriften, durch die das Angebot an Glücksspieldienstleistungen eingeschränkt wird, an Belgien, Litauen, Polen, Rumänien, die Tschechische Republik und Zypern zu richten.
Kritikpunkte der EU sind unter anderen Ungereimtheiten bei der Lizenzvergabe sowie bei den Bedingungen für die Bereitstellung von Glücksspieldienstleistungen, mangelnde Transparenz des Rechtsrahmens für Glücksspiele und die ungleiche Behandlung von Anbietern.
Damit ist die Agendaliste freilich noch nicht abgearbeitet. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten ist weiterhin im Visier, was zur Folge hat, dass Verfahren gegen einige Mitgliedstaaten offen bleiben, weil die betreffenden nationalen Regelungen noch untersucht werden oder weil erhebliche Änderungen bevorstehen. Das betrifft unter anderem Deutschland – und Österreich. So etwa könnte in das zwischen SPÖ und ÖVP noch in Verhandlung stehende Regierungsprogramm sogar die eine oder andere Korrektur des Glückspielgesetzes aufgenommen werden. Nicht zuletzt hat erst im Sommer dieses Jahres der Verfassungsgerichtshof entschieden, "dass die Regelungen im Glücksspielgesetz zum Pokern verfassungswidrig sind". Hier besteht also Reparaturbedarf.
Wettmanipulation und exzessive Glückspielwerbung im Visier
Mit einer EU-einheitlichen Regelung ist jedenfalls in den nächsten Jahren bezüglich des Glückspiels im Internet nicht zu rechnen. "Wahrscheinlich sehr lange nicht", heißt es auf eine entsprechende Anfrage. Zu unterschiedlich sind die Positionen zwischen den einzelnen EU-Staaten. Vor allem aber geht es hierbei längst nicht nur um nationale und europäische sondern globale Befindlichkeiten und Entwicklungen. Eine gewisse Regulierung erwartet man sich durch den Marktmechanismus, nicht zuletzt abhängig von Angebot und Nachfrage, aber auch von der weiteren technischen Entwicklung, die längst nicht abgeschlossen ist.
Aktuell auf dem "EU-Radarschirm" befindet sich die Causa Wett-Manipulation. Hier beschäftigen die Kommission immer wieder auffliegende Fälle in vielen Staaten, bei denen (so etwa im Fußball, aber auch bei anderen Sportarten) versucht wird, den Ausgang von sportlichen Ereignissen durch die Bestechung von Spielern zu beeinflussen. Nicht zuletzt wird so manches Spiel in Wettbüros und auf Wettplattformen als "Live" angeboten, das aber bereits längst zu Ende ist und wo auch das Ergebnis schon vorliegt – nur nicht jedem Wettkunden bekannt ist.
Schließlich – aber dafür ist nicht die Binnenmarkt- sondern die Wettbewerbskommission zuständig – sorgt man sich in Brüssel auch um die ausufernde Glückspiel-Werbung in manchen Ländern. Hier könnte es in nächster Zeit zu Auflagen und Beschränkungen kommen. Wobei der Begriff "nächste Zeit" als dehnbar verstanden wird. Stehen doch im Mai EU-Wahlen und in weiterer Folge auch eine Neuformierung der EU-Kommission an, was bei vielen agierenden Personen an der Spitze der jeweiligen EU-Institutionen zur Folge hat, dass sie mehr Gedanken ihrer eigenen Karriereplanung als dem Vorantreiben von wichtigen EU-Vorhaben widmen.
Herbert Vytiska (Wien/Brüssel)