Die „beispiellose“ Krise aufgrund des Coronavirus erfordere neue Instrumente; und die Europäische Kommission denke daher über die Schaffung eines neuen Instruments zur Unterstützung zahlungsfähiger Unternehmen, gerade in besonders gefährdeten Mitgliedsstaaten, nach. Das erklärten die Kommissare Dombrovskis und Gentiloni gestern.
Die Europäische Kommission zeigt sich besorgt über die Auswirkungen der Pandemie auf den Binnenmarkt – vor allem, da viele Unternehmen nun einmal nicht in Mitgliedstaaten mit viel finanziellem Spielraum ansässig sind, die ihnen gegebenenfalls aus der Krise helfen können.
„Es ist äußerst wichtig, zu vermeiden, dass diese Krise zu einer Vergrößerung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Unterschiede zwischen den Ländern oder Regionen führt,“ sagte der für Wirtschaftsfragen zuständige Vizepräsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, gegenüber dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments gestern.
Aus diesem Grund erwäge die EU-Exekutive, „ob und wie ein Solvenzinstrument geschaffen werden könnte, um Unternehmen in ganz Europa zu helfen, bis sich die Wirtschaft wieder erholt hat.“
„Wir befinden uns wirklich in einer noch nie dagewesenen Situation,“ fügte Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni während derselben Sitzung hinzu.
Aus diesem Grund dürfe die wirtschaftliche Antwort auf die coronavirusbedingte Krise „nicht noch mehr vom schon Bestehenden“ sein. Es brauche demnach nicht mehr Geld für bereits existierende Instrumente, sondern vielmehr auch „sehr starke und innovative Tools“.
Dombrovskis stimmte dieser Ansicht zu und betonte, angesichts der „beispiellosen“ Krise sei „ein wenig Über-den-Tellerrand-hinaus-Denken“ notwendig.
Ein entsprechender Mechanismus könnte als Teil des aktualisierten Vorschlags für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) und des sogenannten Recovery-Fonds, der für Mitte Mai erwartet wird, vorgestellt werden.
Kredite und/oder Direktzuschüsse?
Gentiloni und Dombrovskis präzisierten weder den Umfang oder die Form des Recovery-Fonds noch die Art und Weise, wie er in die EU-Finanz- und Wirtschaftspolitik integriert werden könnte, aber sie bestätigten, dass die angedachten Investitionen in den ersten Jahren der Haushaltsperiode vorgezogen werden und sowohl Zuschüsse als auch Darlehen umfassen würden.
Das Thema Direktzuschüsse und/oder Darlehen ist nach wie vor einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den Mitgliedstaaten. Länder, die eine „ehrgeizige Antwort“ auf die drohende Rezession fordern, haben argumentiert, dass die Mittel zur Konjunkturbelebung durch direkte Transfers und nicht (nur) durch Kredite aufgebracht werden sollten.
„Mein Eindruck ist, dass sich die Haltung der europäischen Institutionen und Mitgliedsstaaten in dieser Krise im Vergleich zur vorherigen Krise geändert hat,“ zeigte sich Gentiloni allerdings zuversichtlich, dass es eine Lösung geben werde.
Der italienische Kommissar räumte zwar ein, dass es „nicht leicht sein wird“, sich auf einen Sanierungsfonds zu einigen. Aber er erinnerte daran, dass die EU inzwischen über „gemeinsame Instrumente“ diskutiert, um aus der Rezession herauszukommen. In Folge der Finanzkrise 2008/9 hatten sich noch die Mitgliedsstaaten durchgesetzt, die Rettungspakete mit angeknüpfter Konditionalität forderten.
Welche Form und welchen Umfang das neue Instrument letztendlich auch bekommen sollte, es käme in jedem Fall zu den 3,4 Billionen Euro hinzu, die die Länder und EU-Institutionen bereits mobilisiert haben, sowie zu den 540 Milliarden Euro an Liquidität, die über verschiedene EU-Instrumente kanalisiert wurden, und den weiteren 750 Milliarden Euro aus dem Anleihenankaufprogramm der EZB.
Ohnehin wird die gesamteuropäische Reaktion von den letztendlichen Auswirkungen der COVID-19-Krise abhängen. Die Kommission will ihre Frühjahrsprognose über die voraussichtliche Wirtschaftsentwicklung am 7. Mai vorlegen.
Gentiloni sagte in dieser Hinsicht, man könne mit einer Vorhersage über eine „tiefe Rezession“ rechnen, die in etwa den Prognosen des Internationalen Währungsfonds entspricht.
Der IWF erwartet für die Eurozone im Jahr 2020 einen Einbruch des BNP um 7,5 Prozent.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]