Die Europäische Kommission hat öffentliche Konsultationen über ihr lang erwartetes Gesetzespaket zu digitalen Dienstleistungen eingeleitet. Gleichzeitig bittet sie auch um Feedback zu einem möglichen neuen Wettbewerbsinstrument, das Marktungleichgewichte in diversen Sektoren beheben soll.
In Bezug auf das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) werden in den am gestrigen Dienstag eröffneten Konsultationen sechs Themenbereiche umfassend angegangen: So sollen Rückmeldungen von Interessenvertretern zu den Themen Online-Sicherheit, Haftung, Marktbeherrschung, Online-Werbung und intelligente Verträge, Fragen zur Online-Selbstständigkeit sowie zum möglichen zukünftigen Governance-Rahmen für Online-Dienste eingeholt werden.
„Im Rahmen dieser Konsultation möchten wir die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern und von Interessenträgern dazu einholen, wie ein moderner Rechtsrahmen für digitale Dienste und Online-Plattformen in der EU aussehen sollte,“ heißt es dazu in einem Statement der für Digitalpolitik zuständigen EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager.
Sie betont weiter: „Viele Fragen haben einen direkten Bezug zum Alltag der Bürgerinnen und Bürger, und wir sind fest entschlossen, eine sichere konstruktive und innovative digitale Zukunft für sie zu gestalten.“
Die Bereiche, zu denen die Kommission um Feedback bittet, werden im Rahmen von zwei Säulen behandelt. Die erste Säule zielt auf die Frage ab, wie mit dem DSA die in der E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 festgelegten Regeln aktualisiert werden könnten. Dabei geht es insbesondere um Haftungsausschlüsse und das sogenannte Herkunftslandprinzip, wonach Online-Dienstleister lediglich den Vorschriften des Landes unterliegen, in denen sie ihren jeweiligen Geschäftssitz haben.
Somit geht es auch um die Verantwortung von großen Plattformen dabei, Inhalte zu moderieren und zu prüfen, und um die Frage, wie die Aufsicht über die Geschäftspolitik von Plattformen auf EU-Ebene verstärkt werden könnte.
Die zweite Säule wird sich derweil eingehender mit der Möglichkeit befassen, sogenannte Ex-ante-Vorschriften aufzustellen, mit denen sichergestellt werden soll, dass auf Märkten, die durch große Plattformen geprägt sind, fairer und offener Wettbewerb auch für kleine Akteure und Marktneulinge gewährleistet ist.
„Während wir Plattformen weiterhin dazu drängen werden, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen, müssen wir Europäer auch bereit sein, unsere eigenen Spielregeln festzulegen. Unsere Regeln für digitale Dienste sind zwanzig Jahre alt,“ erinnerte Binnenmarktkommissar Thierry Breton am Dienstag in einem Blog-Post.
Er kündigte an: „Wir wollen noch vor Ende des Jahres klare Regeln vorschlagen, um die Verantwortung der Plattformen für den Schutz unserer Bürger und unserer Werte zu definieren – ohne sie für alle Inhalte haftbar zu machen.“
Wettbewerb
Darüber hinaus wurden inzwischen auch Konsultationen über ein „neues Wettbewerbsinstrument“ eingeleitet, mit dem ein „Kippen“ der Märkte in der Digitalwirtschaft verhindert werden soll. Dabei geht es auch um die Frage nach einer Vorabregulierung digitaler Plattformen, insbesondere solcher, die eine „Gatekeeper“-Rolle für kleinere Unternehmen spielen, wobei letztere für ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen auf die tägliche Nutzung großer Plattformen angewiesen sind.
Das Instrument soll strukturelle Abhilfemaßnahmen gegen Wettbewerbsungleichgewichte bieten, aber nicht über potenzielle Verstöße urteilen oder Bußgelder verhängen.
Schon Anfang Mai hatte Vestager vor dem Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments darauf hingewiesen, dass als Teil des künftigen DSA „ein neues Wettbewerbsinstrument“ eingeführt werden sollte, das darauf abzielt, „ein Kippen der Märkte zu verhindern“.
Mit diesem „Kippen“ wird eine Situation bezeichnet, in der ein einzelnes Unternehmen hohe Monopolgewinne und Marktanteile erzielt und damit ein wettbewerbsfeindliches Umfeld für andere Unternehmen schafft.
„Dies passiert nicht nur in digitalen Märkten; aber dort ist es noch offensichtlicher, dass ein Markt kippen kann,“ erklärte Vestager dazu. Sie erläuterte weiter: „Hier halte ich es für sehr wichtig, dass wir in der Lage sind, dies zu verhindern. Denn wir wissen inzwischen, in was für einer Welt wir leben, wenn wir in mehreren Märkten digitale Gatekeeper haben.“
Geteilte und getrennte Kompetenzen
Aufgrund der vermeintlichen Ähnlichkeit zwischen den Konsultationen zum „neuen Wettbewerbsinstrument“ und der Regulierung im Rahmen des DSA hat die EU-Kommission betont, man wolle bei den Folgenabschätzungen „Überschneidungen“ bei der Arbeit verschiedener Kommissionsabteilungen vermeiden.
So leiten die Generaldirektionen CONNECT (Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien) und GROW (Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU) die Folgenabschätzung für die DSA-Regeln, während die Generaldirektion COMP (Wettbewerb) für die Prüfung des Feedbacks zum „neuen Wettbewerbsinstrument“ zuständig ist sowie strukturelle Wettbewerbsprobleme in „digitalen oder digital ermöglichten Märkten“ untersucht.
Mit einer parallelen Durchführung von Folgeabschätzungen zu diesen beiden Initiativen sollen „Kohärenz gewährleistet und mögliche Überschneidungen vermieden werden“, so die Exekutive.
Zu einem späteren Zeitpunkt wird dann eine gemeinsame Analyse beider Initiativen stattfinden, um „Synergien zu erkunden und die Kohärenz der verfolgten politischen Optionen zu gewährleisten, insbesondere im Hinblick auf mögliche Abhilfemaßnahmen und die Durchsetzung“, und um mögliche Widersprüche zwischen den einzelnen Generaldirektionen zu vermeiden.
Die Teilnehmenden an den nun gestarteten Feedback-Runden sind aufgerufen, bis zum 30. Juni Stellungnahmen zu den ersten Folgenabschätzungen abzugeben. Die grundsätzlichen öffentlichen Konsultationen zu allen Initiativen laufen noch bis zum 8. September.
Die Kommission plant danach (und noch vor Ende 2020), einen Gesetzesvorschlag für den Digital Services Act vorzulegen.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]