Die Europäische Kommission hat am gestrigen Mittwoch neue Instrumente vorgestellt, mit denen Marktverzerrungen behoben werden sollen, die durch subventionierte ausländische Unternehmen, die im EU-Binnenmarkt tätig sind, verursacht werden. Das schließt auch die Möglichkeit ein, das Aufkaufen oder die Übernahme europäischer Firmen zu untersagen.
Europäische Unternehmen sind ihren ausländischen Konkurrenten aus Drittstaaten auf dem Binnenmarkt oftmals nicht ebenbürtig, schließt die Kommission in ihrem gestern vorgelegten Weißbuch.
Der Grund dafür: EU-Firmen unterliegen strengen Regeln für staatliche Beihilfen, während Unternehmen aus Drittländern oft Subventionen erhalten. Das macht es für Letztere leichter, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen oder eine andere, europäische Firma aufkaufen zu können.
„Hier gibt es eine Diskrepanz, und das muss sich ändern“, sagte die für Wettbewerb zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager.
Die im neuen Weißbuch enthaltenen Vorschläge würden die EU-Regelungen für Fusionen, staatliche Beihilfen, den Screening-Mechanismus für ausländische Investitionen und die handelspolitischen Schutzinstrumente vervollständigen. Keine der schon bestehenden Instrumente berücksichtige die negativen Auswirkungen ausländischer Subventionen auf den Binnenmarkt in angemessener Weise.
Die Kommission hatte die Vorschläge ursprünglich schon für Ende 2019 geplant.
Verschiedene Szenarien
Die EU-Exekutive schlägt Instrumente zur Bewältigung verschiedener Szenarien vor. Erstens könnte sie gegen Unternehmen vorgehen, die Subventionen erhalten und dem Binnenmarkt „schaden“. In diesem Fall will die Kommission zusammen mit den nationalen Behörden den entstandenen Schaden und den potenziellen Nutzen des Unternehmens, beispielsweise in Bezug auf die geschaffenen Arbeitsplätze, bewerten.
Abhängig vom Ergebnis dieser Abwägungsprüfung könnte die EU-Exekutive dann Abhilfemaßnahmen – entweder finanzieller oder struktureller Art – auferlegen, um den entstandenen Schaden zu korrigieren.
Zweitens plant die Kommission, eine weitere Ebene der Prüfung hinzuzufügen, wenn Firmen aus Drittstaaten ein europäisches Unternehmen aufkaufen wollen. Wenn der Käufer von einer ausländischen Regierung subventioniert wurde, würde die Kommission dann eingreifen, indem sie erneut Abhilfemaßnahmen vorschlägt.
Gegebenenfalls könnte die Übernahme sogar komplett blockiert werden.
Drittens werden Kandidaten aus Drittländern, die sich an der öffentlichen Auftragsvergabe der EU beteiligen, einer genaueren Prüfung unterzogen. Damit soll sichergestellt werden, dass sie keine besseren Angebote machen können, weil sie öffentliche Unterstützung von den Steuerzahlern im Heimatland erhalten. Diese genauere Prüfung der öffentlichen Ausschreibungen wird auch für Firmen gelten, die um EU-Zuschüsse konkurrieren.
Es müsse sichergestellt werden, dass Angebote für Ausschreibungen und der Biet-Prozess um Zuschüsse nicht unfair sind.
Der Elefant im Raum
Vestager betonte, die Kommission habe bei ihren Vorschlägen nicht „ein bestimmtes Land“ im Sinn. Man schließe nicht aus, dass die neuen Maßnahmen Fälle aus der ganzen Welt abdecken könnten. Sie machte klar, man richte sich nicht gegen „irgendjemanden im Besonderen“, sondern biete eine Reaktion auf den „Schaden“, den ausländische Subventionen im EU-Binnenmarkt anrichten.
Faktisch könnte jedoch vor allem China eines der „Hauptopfer“ der EU-Maßnahmen sein. Insbesondere seit der Krise 2008-2010 haben chinesische Firmen eine große Zahl von Anlagen und Vermögenswerten in Europa aufgekauft (siehe hier, hier oder hier).
Chinesische Firmen haben dabei in der Vergangenheit von Subventionen und Darlehen zu guten Konditionen profitiert, die ihnen von der Regierung in Peking gewährt wurden.
Angesichts der Komplexität der Vorschläge – und der verhaltenen Resonanz, die sie in einigen EU-Hauptstädten, die Investitionen aus Drittstaaten eher aufgeschlossen gegenüberstehen, erhalten dürften – hat die Kommission nun eine bis zum 23. September laufende öffentliche Konsultation eingeleitet. So sollen alle Parteien und Interessengruppen ihre Meinung äußern können.
Im Anschluss an diese Konsultation wird die Kommission im kommenden Jahr dann einen Legislativvorschlag mit allen Einzelheiten zu den Instrumenten vorlegen.
„Ich hoffe, dass wir dies vorantreiben können und dass es dann ein Gefühl der Fairness in der EU gibt,“ sagte Vestager.
Andernfalls, so warnte sie, würde die Union in einen „Subventionswettlauf“ geraten. Die Verlierer wären dabei die Steuerzahler.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]