Beim deutsch-französischen Ministerrat sollte endlich der Durchbruch gelingen. Gesucht wurde unter anderem eine gemeinsame Linie in Sachen Euro-Reformen. Doch die „Erklärung von Meseberg“ wimmelt vor interpretationsbedürftigen Schachtelsätzen.
Verwunderlich ist dieses Ergebnis nicht. Während es auf Feldern wie der Verteidigungs- oder der Asylpolitik beachtliche Schnittmengen und damit Kompromissspielräume gibt, liegen die wirtschafts- und finanzpolitischen Interessen Deutschlands und Frankreichs weit auseinander. Das zeigte sich schon in den vergangenen Jahren und daran hat sich auch nichts Grundlegendes geändert.
Entsprechend zaghaft näherte sich die Bundesregierung der Debatte an, seit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine seither viel zitierten Vorschläge von Euro-Budget bis Euro-Finanzminister präsentierte. Schließlich ist aus Sicht der deutschen Regierung der Status Quo nicht so schlecht: Keine Vergemeinschaftung, kaum Transfers von starken zu schwachen Mitgliedsstaaten, die Anpassungslast vor allem bei den Binnenökonomien im Süden. Dass man mit einer kompletten Blockade nicht weiterkommt, liegt allerdings auch auf der Hand. Denn ohne eine zusätzliche Stabilisierung droht die gesamte Währungsunion früher oder später auseinanderzufliegen. Daran hat man in Berlin kein Interesse.
Worauf haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron in Merseberg geeinigt? Zum einen auf ziemlich viele Floskeln: Man bekennt sich zu offenen Märkten und zum Multilateralismus, man will den gemeinsamen Binnenmarkt vertiefen, nachhaltiges Wachstum, eine Industrie auf Weltniveau und so weiter.
Zudem auf viele schwierige Schachtelsätze, denen zufolge man beispielsweise „den zwischenstaatlichen ESM-Vertrag ändern [will], um ein gemeinsames Auffanginstrument zu integrieren, die Wirksamkeit von Vorsorgeinstrumenten für die Mitgliedsstaaten zu verbessern und seine Rolle bei der Bewertung und Überwachung zukünftiger Programme zu stärken.“ Formuliert werden in derartigen Sätzen vor allem Prinzipien, die so wenig konkret sind, dass jede Seite sie entlang der eigenen Interessen interpretieren kann.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) weiterentwickelt werden, aber nicht so richtig. Erstmal soll er zwischenstaatlich bleiben, aber in einem zweiten Schritt könnte er auch ins EU-Recht überführt werden. Er soll um ein „Auffanginstrument“ erweitert werden, aber auch die Wichtigkeit der Konditionalität wird betont. Bei der Überwachung der Programme soll er eine größere Rolle spielen, aber die Kommission keine kleinere. Auch der IWF soll irgendwie im Spiel bleiben. Zudem soll der ESM/EWF – erstmal heißt er weiter ESM, aber er kann später auch umbenannt werden – eine Letztsicherungsfunktion für die Bankenunion einnehmen, allerdings mit Grenzen. Das ist alles nichts Halbes und nichts Ganzes.
Gleiches gilt für die Einigungen in Sachen Euro-Budget, das zwar für die Eurozone eingerichtet werden soll, jedoch im EU-Rahmen. Gefüllt werden soll das Budget aus nationalen und europäischen Beiträgen, sowie Steuern. Wie prall der Topf gefüllt wird, soll von den Verhandlungen um den Mehrjährigen Finanzrahmen abhängen. Auch ein „Stabilisierungsfonds für Arbeitslosigkeit“ soll in diesem Zusammenhang geprüft werden, aber nur so, dass dadurch keine Transfers entstehen. Eine Arbeitsgruppe wird eingerichtet, die das austüftelt.
Wer all diese und viele weitere Formulierungen jener Abschnitte der Meseberger Erklärung liest, die sich mit der Währungsunion befassen, wird nachvollziehen können, dass die letzte deutsch-französische Arbeitsgruppe zu diesen Themen ihre Arbeit erst vor wenigen Wochen ergebnislos einstellte. Daran dürfte auch die Rückendeckung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nichts ändern, der am Abend auf Schloss Meseberg zu Merkel und Macron stieß und im Anschluss die Einigungen ausdrücklich lobte. Juncker zeigte sich zufrieden, dass viele Vorschläge der Kommission berücksichtigt worden seien. Er glaube, dass die Erklärung konsensfähig sei.