Die Europäische Union wird in diesem Jahr eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus vorlegen. Dies sei Teil eines 1,5 Milliarden Euro schweren Programms zum Schutz der Grundrechte in der gesamten Union, kündigte Kommissar Margaritis Schinas an.
Schinas, der für die „Förderung der europäischen Lebensweise“ zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, bestätigte die Arbeit an der Strategie am Dienstag während der Eröffnung einer hochrangigen Konferenz zum Thema Schutz gegen Rassismus und Diskriminierung, die von der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft ausgerichtet wurde.
Die Strategie werde „einen umfassenden Rahmen bieten, um die Bemühungen der Mitgliedsstaaten zur Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus, zur Aufklärung und Erinnerung an den Holocaust und zur Förderung jüdischen Lebens in Europa zu ergänzen und zu unterstützen,“ so der Kommissar.
Das Thema Bekämpfung von Antisemitismus und anderem Rassismus ist auf der EU-Agenda in den vergangenen Monaten wieder weiter nach oben gerückt, nachdem die Pandemie zu einem Anstieg des Rassismus geführt hatte. Ein weiterer Grund für den neuen Vorstoß dürfte auch das Wachstum der Black-Lives-Matter-Bewegung gewesen sein.
Verdopplung der Mittel
Im vergangenen Dezember unterzeichneten die EU-Spitzen eine Erklärung, in der sie die europäischen Regierungen aufforderten, härtere Strafen für Online-Hassverbrechen und Antisemitismus zu verhängen.
„Für die nächsten sieben Jahre werden wir nun bald ein neues, ständiges Programm für die Gleichberechtigung der Bürgerinnen und Bürger haben. Dieses zielt darauf ab, offene, auf Recht basierende, demokratische, gleichberechtigende und inklusive Gesellschaften zu schützen und zu fördern,“ sagte Schinas am Dienstag mit Blick auf die neuen Initiativen.
Das Programm soll insgesamt 1,55 Milliarden Euro an Fördermitteln erhalten, statt der bisherigen 640 Millionen Euro. Das mache es „zum größten EU-Programm zur Unterstützung der Grundrechte innerhalb der EU“, fügte der griechische Kommissar hinzu.
Im Laufe der Coronavirus-Pandemie konnte nicht nur mehr Antisemitismus sowie Rassismus gegen muslimisch oder asiatisch gelesene Menschen beobachtet werden; es häufte sich auch das Auftreten von Verschwörungserzählungen.
Die Pandemie habe somit „einen fruchtbaren Boden für die Eskalation fremdenfeindlicher und antisemitischer Handlungen und Diskurse geschaffen“, warnte Francisco André, Portugals Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, auf der Konferenz.
Eine kürzlich durchgeführte Eurobarometer-Umfrage ergab, dass 36 Prozent der EU-Bevölkerung das Gefühl haben, dass der Antisemitismus zunimmt. Eine FRA-Umfrage unter Jüdinnen und Juden ergab derweil, dass fast 90 Prozent der jüdischen Befragten diese Ansicht teilen.
Im letzten Bericht der EU-Grundrechteagentur wurden in der gesamten EU mehr als 3.000 antisemitische Vorfälle im Jahr 2019 – also vor der Pandemie – gezählt.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]