Schutz oder Diskriminierung? Ein Änderungsantrag zum „Anti-Separatismus“-Gesetz, der kürzlich im französischen Senat verabschiedet wurde, zielt darauf ab, das Tragen eines Hidschabs bei Sportwettkämpfen zu verbieten. Damit soll der Laizismus gestärkt und betont werden. Die Entscheidung birgt aber auch das Risiko, noch mehr muslimische Mädchen von der Ausübung eines Sports auszuschließen oder abzuhalten. EURACTIV Frankreich berichtet.
„Das Tragen auffälliger religiöser Zeichen ist bei der Teilnahme an Sportveranstaltungen und Wettkämpfen, die von Sportverbänden und in ihnen organisierten Vereinen ausgerichtet werden, verboten.“
Dieser Satz, der dem Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Achtung der Prinzipien der Republik und des Kampfes gegen den Separatismus“ vom französischen Oberhaus hinzugefügt wurde, droht es für Mädchen und Frauen, die einen Hidschab tragen, schwieriger zu machen, künftig an besagten Sportveranstaltungen teilzunehmen.
Das befürchtet jedenfalls Faduma Olow, Kolumnist bei der britischen Tageszeitung The Telegraph. Sie warnt: Während ein Kopftuchverbot als Maßnahme zur Förderung der Frauenrechte gerechtfertigt wird, drohe es tatsächlich, den gegenteiligen Effekt haben. Ihrer Meinung nach werden mit dem neuen Gesetz „Mädchen im ganzen Land von allen möglichen Sportarten ausgeschlossen.“
„Frankreich glaubt, dass es damit muslimische Frauen aus einem Leben der Unterdrückung befreit,“ so Olow. „Aber dieser Minderwertigkeitskomplex, den man muslimischen Frauen unterstellt, ist absurd, beleidigend und das komplette Gegenteil von Unterstützung und Empowerment.“
Das Tragen des Kopftuchs sei keine religiöse Pflicht, sondern eine Wahl, argumentiert sie – eine Wahl, die französische Politikerinnen und Politiker jetzt für die betroffenen Mädchen und Frauen treffen würden. Frauen zu zwingen, bestimmte Kleidung zu tragen (oder eben nicht zu tragen), sei eine Form von Machtmissbrauch und im Prinzip der Versuch, „den Körper von Frauen zu regulieren“.
Hidschab-Verbot als Rückschritt
In der Welt des Sports könnte die Zulassung des Hidschab zum Teil sogar eine weiterreichende Emanzipation für muslimische Frauen ermöglichen, da sie schließlich die Ausübung des Sports mit ihrem persönlichen Glauben in Einklang bringen können, erklärt Olow.
Ganz nach dem Vorbild der amerikanischen Fechterin Ibtihaj Muhammad, die 2016 als erste muslimische Amerikanerin bei den Olympischen Spielen antrat (und eine Medaille gewann), während sie ein Kopftuch trug. Am Welt-Hidschab-Tag, dem 1. Februar, lobte sie auf Twitter „Hidschab-tragende Athletinnen, die Barrieren durchbrechen und ihr volles Potenzial durch den Sport erreichen.“
Die Britin Khadijah Mellah wiederum war 2019 die erste Reiterin, die mit Hidschab ein Pferderennen im Land gewann.
„Fußball für alle“
Im wohl populärsten Sport der Welt erlaubt der internationale Fußballverband (FIFA) muslimischen Fußballerinnen seit 2014, beim Spiel einen Hidschab zu tragen. In Frankreich hingegen verbietet der nationale Verband (FFF) dies, mit Verweis auf den Säkularismus in Frankreich. Die FFF bleibe damit „der einzige internationale Verband, der Frauen, die den Hidschab tragen, vom Sport ausschließt“, kritisiert Olow.
Es ist ein Verbot, gegen das französische Fußballerinnen im vergangenen Jahr rebellierten, indem sie das Kollektiv „Les Hijabeuses“ gründeten und dabei betonten, dass „Laizismus keine Intoleranz“ werden dürfe. Ihre einfache Forderung: „Fußball für alle.“
„Muss ich zwischen meinen religiösen Überzeugungen und dem Recht, meinen Sport auszuüben, wählen?“, fragt eine der Spielerinnen in einem auf YouTube veröffentlichten Video. „Niemand hat uns gezwungen, das Kopftuch zu tragen, und niemand wird uns zwingen, es abzunehmen,“ so eine Aktivistin der sogenannten Bürgerallianz – einer Vereinigung, die die Fußballerinnen unterstützt – gegenüber EURACTIV Frankreich. Das Verbot seitens der FFF sei eine „diskriminierende, intolerante und unfaire“ Praxis, die „Hunderte von Menschen der Ausübung ihres Lieblingssports im Wettkampf“ beraubt, so die Aktivistinnen.
Die Verschärfung der Regeln durch den französischen Senat dürfte nun die Situation weiter verschärfen, warnt Faduma Olow abschließend. „Die Botschaft ist klar,“ fährt sie fort, „Muslime sind willkommen, aber ihre Sichtbarkeit in der Gesellschaft ist es nicht. Und wieder sind es die Frauen, die am meisten betroffen sind.“