Die Polizei-Studie kommt. Der SPD-Vorschlag, Rassismus innerhalb der deutschen Behörden zu durchleuchten, wurde weich verhandelt: Die gesamte Alltagsarbeit der BeamtInnen soll behandelt werden, Rassismus wird nur eins von vielen Themen sein.
Mit diesem Kompromiss scheint die Union leben zu können. Es war ein langer Weg: Allen voran Innenminister Horst Seehofer (CSU), der sich oft schützend vor die Polizei stellt, hatte sich im Juni rasch und heftig gegen den Vorstoß des Koalitionspartners gestemmt. „Eine Studie, die sich ausschließlich mit der Polizei und dem Vorwurf eines strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei beschäftigt, wird es mit mir nicht geben“, hatte Seehofer noch im September gegenüber der BILD gesagt.
An dieser Position habe sich auch heute nichts geändert, bekräftigte er in der Bundespressekonferenz am Dienstag. Er sei weiterhin gegen „eine Studie von Unterstellungen an die Polizei“ und wolle keinen „Generalverdacht“ aufkommen lassen, weil über 99 Prozent der BeamtInnen „auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“. Jeder Fall von Rassismus sei „eine Schande“, aber niemand sei unfehlbar, und man solle vom „Fehlverhalten Einzelner nicht auf eine strukturelle Problematik schließen“.
Auch Gewalt gegen Polizei im Fokus
Die Studie soll die Beziehung zwischen Polizei und Gesellschaft insgesamt erörtern. Im Fokus sieht Seehofer die „neuen Rahmenbedingungen“, unter denen Polizeiarbeit stattfindet. Das beginne schon bei den Motiven, aus denen heraus junge Menschen zur Polizei gehen.
Neben der Frage, ob die Sicherheitsbehörden stets dem Null-Toleranz-Anspruch bei Rassismus und Extremismus gerecht werden, will Seehofer auch die „zunehmende Gewalt gegen PolizeibeamtInnen“ untersuchen lassen.
Seehofers Ziel sei es, überhaupt keine Fälle von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus in den Behörden zu haben, und es werde in der Regierung „niemand ruhen“, bis man sich diesem Ziel genähert hat. Doch die Polizei „muss wissen, dass die Politik immer hinter ihrem tun steht“, denn „sie hat nichts anderes verdient.“
Rechtsextreme Chatgruppen bei Behörden
In den letzten Wochen und Monaten gab es mehrere Fälle von Rechtsextremismus in deutschen Sicherheitsbehörden. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Berlin wurden Chatgruppen aufgedeckt, in denen BeamtInnen rassistische Inhalte ausgetauscht haben. In NRW wurden 30 BeamtInnen deswegen suspendiert. Beim Fall in Berlin handelt es sich um sieben Polizei-StudentInnen, gegen die nun die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung ermittelt.
„Einzelne dieser Nachrichten sollen sich, teils unter Verwendung von Hakenkreuzen, in rassistischer oder sonst verächtlichmachender Art unter anderem gegen Asylsuchende gerichtet haben. Andere sollen in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, den Völkermord an den Juden verharmlost haben“, so die Staatsanwaltschaft in einer Presseaussendung.
Ungeeignet als Wahlkampfthema
Je nachdem, wann diese Studie erscheinen soll, könnte sie im Bundestagswahlkampf 2021 zum Thema werden. Schon der Vorschlag sorgte für Kratzer am Koalitionsfrieden. Vor allem Saskia Esken, SPD-Co-Vorsitzende, warf der Polizei im Juni „latenten Rassismus“ vor. Hintergrund waren auch die „Black Lives Matter“-Demonstrationen in den USA, die auch in Europa Debatten über Polizeigewalt ausgelöst hatten.
Esken erntete Kritik, auch aus der eigenen Partei: Einige SPD-Innenminister widersprachen, allen voran Boris Pistorius aus Niedersachsen. „Der Polizei zu unterstellen, sie habe ein größeres Problem mit Rassismus als andere Lebensbereiche, ist falsch und setzt die mehr als 300.000 Polizisten in Deutschland einem ungerechtfertigten Generalverdacht aus“, sagte er nach Eskens Aussage.
Ob sich Olaf Scholz nach Eskens Erfahrung also traut, die Ergebnisse der Studie oder Polizeigewalt allgemein im Wahlkampf anzubringen, ist fraglich – auch, weil er selbst als Hamburger Oberbürgermeister die Polizei in Schutz nahm, als es beim G20-Gipfel 2017 zu heftigen Zusammenstößen mit DemonstrantInnen kam. Offen ist auch, ob die Studie in der jetzigen Kompromissform überhaupt ausreichend Pulver für den Wahlkampf bieten wird.