Die Europäische Kommission hat die Bemühungen einiger der größten Online-Plattformen der Welt zur Eindämmung der Verbreitung illegaler Inhalte begrüßt. Die EU-Exekutive präsentierte gestern die letzte Evaluierung des EU-Kodexes zur Bekämpfung von Hassrede im Internet, bevor demnächst das neue Gesetz über digitale Dienste vorgestellt werden soll.
Die Ergebnisse der fünften Überprüfung des Kodex zeigen, dass 90 Prozent der gemeldeten Inhalte innerhalb von 24 Stunden von den Plattformbetreibern „bewertet“ wurden. Letztendlich seien 71 Prozent dieser Inhalte entfernt worden.
Allerdings wurde in der am Montag veröffentlichten Studie nicht untersucht, innerhalb welcher konkreten Zeiträume solche „illegalen Inhalte“ tatsächlich gelöscht wurden. Dies ist eine wichtige Frage angesichts der jüngsten Entwicklungen in Frankreich, wo der Verfassungsrat in der vergangenen Woche große Teile eines Gesetzentwurfs gegen Online-Hassrede abgelehnt hatte, mit dem Social-Media-Firmen verpflichtet worden wären, Hass-Inhalte in jedem Fall innerhalb von 24 Stunden zu entfernen.
Darüber hinaus geben die im Bericht vom Montag enthaltenen Daten keinen vollständigen Gesamtüberblick über die Löschung von Inhalten in allen EU-Mitgliedsstaaten: Für Belgien, Griechenland und Irland lagen keine Zahlen vor, da die Meldezahlen zu niedrig waren, während Institutionen in Malta, Luxemburg, den Niederlanden und Dänemark keine Daten über die Löschungszahlen übermittelten.
Bei den überprüften Inhalten zeigte sich, dass Anfeindungen aufgrund der sexuellen Orientierung die am häufigsten gemeldete Art von Hate Speech waren, gefolgt von Angriffen mit den Motiven Ausländerfeindlichkeit und Rassismus sowie Antiziganismus.
Der Kodex aus dem Jahr 2016 ist eine freiwillige Vereinbarung zwischen Social-Media-Unternehmen, der eingeführt wurde, um Hassrede im Internet einzudämmen. Zu den Unterzeichnern gehören Facebook, YouTube, Twitter, Microsoft, Instagram, Dailymotion, Snapchat und Jeuxvideo.com.
Transparenz und Digital Services Act
Justizkommissar Didier Reynders erklärte, die Plattformen würden sich beim Thema Umgang mit Online-Hassrede zwar in die richtige Richtung bewegen, es seien aber noch mehr Anstrengungen in Bezug auf Transparenz und Feedback erforderlich. Die Kommission behalte sich daher vor, gegebenenfalls „verbindliche Transparenzmaßnahmen“ für illegale Online-Inhalte einzuführen.
Die Analyse habe ergeben, dass von den am Kodex beteiligten Plattformen lediglich Facebook den Nutzerinnen und Nutzern systemisches Feedback zu den Ergebnissen von Meldungen gibt, die in Reaktion auf Hass-Inhalte eingereicht wurden.
„Ich fordere die Plattformen auf, die in den jüngsten Evaluierungen festgestellten Lücken zu schließen, insbesondere im Hinblick auf das Feedback der Nutzer und die Transparenz,“ heißt es in einem Statement von Reynders.
„Das bevorstehende Gesetz über digitale Dienste wird in dieser Hinsicht einen Unterschied machen. Es wird einen Rahmen für europäische Dienste schaffen, der die bestehenden EU-Maßnahmen gegen illegale Hassrede im Internet ergänzt.“ Darüber hinaus werde die Kommission „die Notwendigkeit verbindlicher Transparenzmaßnahmen prüfen, die Unternehmen verpflichten, deutlich darzulegen, wie sie mit illegaler Hassrede auf ihren Plattformen umgehen“.
Das von Reynders angesprochene geplante Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) gilt als ambitioniertes Vorhaben der EU, die Online-Welt in einer Reihe von Bereichen wie politischer Werbung und anstößiger Inhalte zu regulieren.
Anfang Juni leitete die Kommission öffentliche Konsultationen zu ihrem lang erwarteten DSA-Gesetzespaket ein. Dabei sollen im Vorfeld des Vorschlags (der voraussichtlich Ende 2020 vorgelegt wird) sechs Themenbereiche besprochen werden: Online-Sicherheit, Haftung, Marktbeherrschung, Online-Werbung und intelligente Verträge, Fragen zur Online-Selbstständigkeit sowie zum möglichen zukünftigen Governance-Rahmen für Online-Dienste.
Terroristische Inhalte
Neben der potenziellen Effekte auf den zukünftigen Inhalt der DSA-Regelungen könnte die Evaluierung der Kommission vom Montag auch Einfluss auf die laufenden interinstitutionellen Verhandlungen über die EU-Verordnung zu Online-Inhalten mit Terrorismus-Bezug haben.
Die Gespräche zwischen Rat und Parlament waren wegen des Coronavirus-Ausbruchs auf Eis gelegt worden. Erhebliche Positionsunterschiede zwischen den beiden Institutionen bedeuten aber unabhängig davon, dass ein Ende der Verhandlungen zu neuen Maßnahmen noch lange nicht in Sicht scheint.
Als Teil dieser Regeln gegen Inhalte mit Terrorismusbezug könnten Online-Plattformen verpflichtet werden, gemeldete terroristische Inhalte innerhalb einer Stunde zu entfernen. Weiterhin zur Debatte steht auch die mögliche Einführung „proaktiver Maßnahmen“ in Form von sogenannten Uploadfiltern.
Während das EU-Parlament gegen die Aufnahme von Uploadfiltern ist, unterstützen sowohl der Rat als auch die Kommission deren Einbeziehung.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]