Die “Zukunftskommission Landwirtschaft” hat am Dienstag (6. Juli) Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Abschlussbericht übergeben. Unter anderem fordert das Gremium einen Umbau der EU-Agrarsubventionen und weniger Fleischkonsum.
“Dass dieser Bericht einstimmig verabschiedet werden konnte, ist schon eine Riesensache,” sagte Merkel in ihrer Rede. Die Kommission habe sich “in einem vielschichtigen, emotions- und konfliktgeladenen Spannungsfeld von Agrar-, Umwelt- und Gesellschaftspolitik bewegt,” erklärte sie.
Die Bundesregierung hatte das Gremium im Juli 2020 einberufen und damit beauftragt, Empfehlungen für die langfristige Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland zu erarbeiten.
Hierzu kamen rund 30 Vertreter:innen aus der Landwirtschaft und Industrie, Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz, sowie Wissenschaftler:innen zusammen.
Transformation finanziell unterstützen
In ihrem Bericht fordert die Kommission einen Umbau von Landwirtschaft und Ernährungssektor hin zu mehr Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz. Dazu sollen beispielsweise Tierbestände und Fleischkonsum reduziert und Möglichkeiten zur Bindung von Treibhausgasen besser genutzt werden.
Im Gegenzug seien laut Bericht zunächst rund fünf bis acht Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr nötig, um die Transformation zu finanzieren.
„Den meisten Menschen sind Tierwohl und eine intakte Natur diese Summe auch wert,“ so Prof. Achim Spiller, der als Wissenschaftler Teil der Kommission war. Einkommensschwache Haushalte müssten laut Spiller aber kompensiert werden, beispielsweise durch eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze oder durch direkte Transfers.
“Öffentliche Gelder sollen Landwirtinnen und Landwirte künftig für konkrete Leistungen in Klima- und Naturschutz angemessen entlohnen – etwa für die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, die Wiedervernässung von Mooren oder die Anlage von unbewirtschafteten Flächen für den Schutz der Artenvielfalt,” erkläre Jörg-Andreas Krüger, der Präsident der Naturschutzorganisation NABU.
Die Agrarverbände betonten in ihrer Erklärung, bei der Umsetzung der Maßnahmen müsse darauf geachtet werden, Produktionsverlagerungen ins Ausland zu vermeiden. “Daher ist ein EU-weiter Ansatz dringen geboten,” heißt es in dem Papier.
Für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU fordert die Kommission, innerhalb der nächsten beiden Förderperioden die flächengebundenen Direktzahlungen vollständig auslaufen zu lassen, und stattdessen “konkrete Leistungen im Sinne gesellschaftlicher Ziele” zu entlohnen.
Verbände zufrieden
“Der Abschlussbericht ist Rückenwind für meine Arbeit,” sagte Agrarministerin Julia Klöckner. “Im Sinne des Berichts bringen wir den Transformationsprozess in der Landwirtschaft bereits konsequent voran”.
“Die Agrar- und Ernährungsbranche hat genug von der unsäglichen Bremserei der Ministerin,” sagte dagegen der Fraktionsvorsitzende der Grünen Anton Hofreiter. Mit dem Bericht setze sich die Branche gemeinsam mit Umwelt- und Verbraucherschutz “für eine deutliche Neuausrichtung der Agrar- und Ernährungspolitik ein”.
Gero Hocker, der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, meinte: “Dass die Zukunftskommission in wesentlichen Punkten das Gegenteil der jetzigen Agrarpolitik empfiehlt, sollte die Große Koalition endlich aufwecken”.
Die in der Kommission vertretenen Verbände zeigten sich zufrieden mit dem vorgestellten Bericht.
“Alle Beteiligten (…) haben ihre Dialog- und Kompromissbereitschaft unter Beweis gestellt,” heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Deutschen Bauernverbands und weiteren Organisationen aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Der Bericht zeige ein “klares Bekenntnis zum Zukunftsstandort Deutschland.
“Es ist uns in der Zukunftskommission Landwirtschaft gelungen, nicht die Positionen, sondern die Sache ins Zentrum zu stellen,” sagte Kai Niebert, der Präsident Umwelt-Dachverbandes Deutscher Naturschutzring.
Reaktion auf Protestbewegungen
Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze lobte die erfolgreiche Kompromissfindung innerhalb des Gremiums.
“Die Kommission war die richtige Antwort auf die Proteste von Bäuerinnen und Bauern ebenso wie die von Umwelt-Bündnissen bis hin zu Fridays for Future,” sagte sie in einer Rede. “Nach Jahren der Polarisierung besteht jetzt die Chance für einen neuen und gemeinsamen Aufbruch in der Agrarpolitik”.
Wilhelm Dargel aus der Landwirtschaftsgruppe der Fridays for Future-Bewegung zeigte sich allerdings kritisch.
“Man hat wieder ein Buch an Beschlüssen geschrieben und Klöckner macht in Brüssel das Gegenteil,” sagte er EURACTIV Deutschland mit Blick auf die kürzlich abgeschlossenen Verhandlungen zur EU-Agrarreform. Wenn sich die aktuelle Regierung freue, dass die künftige eine große Aufgabe hat, sei das ein “Armutszeugnis”, so Dargel.
Im März hatte auch die Klimaschutzorganisation Greenpeace die Landwirtschaftskommission frühzeitig verlassen, nach eigenen Angaben aus Protest dagegen, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen zur GAP-Reform die Empfehlungen des Gremiums nicht berücksichtigt habe.
Aufgabe für die nächste Regierung
Wegen der anstehenden Bundestagswahlen im September bleibt Merkels Regierung kaum Zeit, noch vor dem Ende der Legislaturperiode mit der Umsetzung der Vorschläge zu beginnen.
“Dieser Kommissionsbericht ist prima, aber er gibt meinen Nachfolgern auch noch ein bisschen Arbeit mit, auch denen von Julia Klöckner und Svenja Schulze; wer auch immer dann an der jeweiligen Stelle sitzen wird,” sagte Kanzlerin Merkel.
Viele der beteiligten Verbände fordern nun, dass die Empfehlungen der Kommission ins nächste Regierungsprogramm aufgenommen werden sollen.
“Dann nämlich gibt es eine verlässliche Zukunft für die Landwirtschaft,” sagte die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend, Kathrin Muus.
Rechtsbindend für die aktuelle oder künftige Regierung ist der Bericht jedoch nicht.