Ländern, die Steuerflucht fördern, sollte der Zugang zu Freihandelsabkommen und Banken verwehrt werden, fordert Joseph Stiglitz als Konsequenz aus den Panama Papers. Europa solle sich nach der Trump-Wahl im Kampf gegen Steuerflucht an die Spitze stellen.
„Geheimniskrämerei gehört zur Schattenseite der Globalisierung, das Verstecken von Geld aus Geldwäsche oder Steuerflucht untergräbt die Funktionsweise unserer Gesellschaften.“ Mit scharfen Worten hat Nobelpreisträger Joseph Stiglitz am Mittwoch eine Neugestaltung des derzeitigen internationalen Steuersystems verlangt – und radikale Forderungen auch an die EU gestellt.
„Wenn wir die Globalisierung nicht zähmen können, wird es eine Anti-Globalisierungswelle geben“, sagte Stiglitz vor dem Untersuchungsausschuss zu den Panama Papers (PANA) im Europäischen Parlament. Eine Null-Toleranz-Politik sei dringend nötig.
Unkooperativen Ländern Zugang zu Freihandelsabkommen sperren
Wie diese Null-Toleranz-Politik aussehen könnte, dafür hat er einige Visionen: Eine davon lautet, unkooperativen Ländern den Zugang zu Freihandelsabkommen zu sperren. „Man könnte Bedingungen hineinschreiben, dass die Vorteile der Abkommen nur genutzt werden dürfen, wenn Mindestbestimmungen zur Transparenz eingehalten werden“.
Explizit lobte Stiglitz die Fortschritte, die seit den Panama Papers durch das US-Finanzministerium eingeleitet wurden, er entwarf aber auch einen eher pessimistischen Ausblick auf die Entwicklungen unter dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump. „Ich bin nicht allzu optimistisch, dass das unter unserer neuen Regierung so weiter geht, denn wir werden bald einen Steuerflüchtling als Präsident haben, sozusagen einen Chef-Steuerflüchtling.“
Europa muss sich nach Trump-Wahl im Kampf gegen Steuerflucht an Spitze stellen
Darum, so Stiglitz, bleibe nur eins: Europa muss sich im Kampf gegen Steuerflucht an die Spitze stellen. Dazu seien öffentlich durchsuchbare Register mit denen, die die Strippen ziehen sowie mehr Zugang für die Medien zu relevanten Informationen nötig.
Stiglitz war ursprünglich von der panamaischen Regierung ernannt worden, um in einem Bericht fachkundige Ratschläge zur Überwindung der von den Panama-Papieren aufgedeckten Probleme zu erarbeiten.
Doch Stiglitz und der Schweizer Rechtsprofessor Mark Pieth warteten Wochen auf die Zusage, dass der Bericht öffentlich gemacht werden dürfe – vergeblich. Also arbeiteten sie auf eigene Faust an einer Studie weiter. Diese beinhaltet strenge Forderungen zum Ende des „zerstörerischen Steuerwettbewerbs“ zwischen Nationen, der Konzernen wie Apple einen effektiven Steuersatz von gerade einmal 0,005 Prozent auf ihre EU-Profite ermöglicht.
Es geht in dem Bericht also durchaus nicht nur um einschlägige Steruoasen wie Panama. 80 Prozent der Tätigkeiten aus den Panama Papers fanden nicht dort statt, so Stiglitz. In der City of London und den britischen Jungferninseln, aber auch in den USA gebe es Regionen, Bundesstaaten oder Länder, die sich nicht an gute Normen halten. „Die EU sollte Druck auf die Länder ausüben, das das funktioniert, sieht man in den USA“, so Stiglitz. Gleichzeitig müsse ein öffentliches Register geschaffen werden, das die wahren Eigentümer von Briefkastenfirmen auflistet.
Intensivieren ließe sich der Druck insbesondere durch strenge Sanktionen gegen Länder und Unternehmen. Unlauter handelnde Firmen sollten laut Stiglitz ihre Lizenzen verlieren können. Länder, die sich nicht an die Transparenznormen halten, könnte man isolieren, sodass etwa europäische Banken mit diesen Ländern keine Geschäfte mehr machen dürften.
„Wenn sich Länder nicht an die Normen halten, haben sie eine ansteckende Krankheit und sollten nicht das Privileg bekommen, mit unseren Banken zusammenzuarbeiten“, meint er. Die steuerfreien Zonen in einigen Ländern seien besonders schädlich, weil sie es ermöglichen, Geld zu waschen.
Wachstum in Irland ist ein „Scheinwachstum“
Was mit schädlich gemeint ist, erläuterte Stiglitz am Beispiel Irland, dessen Regierung dem Apple-Konzern laut EU-Kommission über viele Jahre die Besteuerung von nahezu sämtlichen Gewinnen erspart hatte.
„Einen Nullsteuersatz haben wir am Ende, wenn wir den Steuerwettbewerb zulassen – dann müssen ungerechterweise andere die Steuerlast schultern.“ Das Wachstum in Irland sei letztlich ein „Scheinwachstum“, so Stiglitz. Denn ohne Steuereinnahmen könne ein Land auch keine Zukunftsinvestitionen durchführen – und das betreffe die gesamten Zukunftsaussichten von Europa und der Welt.
„Es gibt keine Ausreden mehr für Europa, nicht zu liefern“, kommentiert der Europaabgeordnete Fabio De Masi (DIE LINKE.), stellvertretender Vorsitzender des PANA-Ausschusses, die Rede von Stiglitz. De Masi fordert „brutale Transparenz bei Firmeneignern und Konzernprofiten über lückenlose und öffentlich einsehbare Register der wirtschaftlich Begünstigten sowie länderspezifische Konzernberichte“. Doch letztere wurden erst diese Woche im Ministerrat durch ein Rechtsgutachten torpediert.
Stiglitz bleibt dennoch optimistisch: „Ich glaube das ist ein Krieg, den wir gewinnen können“, sagte er. „Aber wir brauchen Anreize für Hinweisgeber. In manchen Ländern können aber gerade die im Gefängnis landen. Solche Länder sollten auch auf der schwarzen Liste landen.“