Kurz vor Ostern hat die EU-Kommission ihren zweiten Bericht über die 2012 eingeführte Europäische Bürgerinitiative veröffentlicht. Darin wertet sie das Instrument als Erfolg. Dem wird nicht jeder zustimmen.
Seit Inkrafttreten des neuen Instruments haben sich schätzungsweise neun Millionen Europäer an einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) beteiligt. Damit eine EBI erfolgreich ist, müssen in einem bestimmten Zeitraum eine Millionen Unterschriften gesammelt werden, wobei auch bestimmte Länderquoren vorgegeben sind. Dies gelang bisher viermal.
Der Erste Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, erklärte: „Die Tatsache, dass neun Millionen Menschen in den letzten sechs Jahren eine Europäische Bürgerinitiative unterstützt haben, zeigt, dass dieses Instrument die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung in der EU und grenzübergreifende Debatten fördert und konkrete Auswirkungen auf die EU-Politik hat.“
Bei drei der vier Erfolgsfälle, so verkündet es die Kommission nicht ohne Stolz, habe sie politische Konsequenzen gezogen. Der Tierrechts-Initiative „Stop Vivisection“ habe die Kommission nicht-legislative Maßnahmen folgen lassen. Auf die Initiative „Right2Water“ habe sie mit einem geänderten Vorschlag für die Trinkwasser-Richtlinie reagiert. Im Anschluss an die Bürgerinitiative „Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen und Umwelt vor giftigen Pestiziden“ habe sie einen Gesetzgebungsvorschlag angekündigt, mit dem wissenschaftliche Beurteilungen und Entscheidungsfindungen transparenter werden sollen.
Damit sind auch wesentliche Schwachstellen der EBI benannt: Letztlich steht es der Kommission frei, ob sie aus einem erfolgreichen Bürgerbegehren Konsequenzen zieht und wenn ja, welche. Warum auf „Stop Vivisection“ nicht legislativ reagiert wurde muss ebenso wenig gerechtfertigt werden wie der gänzliche Verzicht auf eine Reaktion im Falle der Initiative „One of us“. Den Initiatoren ging es um den Schutz der Würde von Embryos.
Eine weitere Schwachstelle ist vorgelagert: Wie der Umgang mit der geplanten Initiative „Stop TTIP“ zeigte, kann die Kommission unliebsamen EBIs recht willkürlich die Zulassung verweigern. „Stop TTIP“ wurde mit hanebüchenen formalistischen Winkelzügen abgelehnt. Die Initiatoren sammelten dennoch über drei Millionen Unterschriften. Es wäre die erfolgreichste EBI überhaupt geworden. Viele Monate später urteilte der EuGH, dass die Initiative rechtmäßig war. Die Kommission hätte sie zulassen müssen. Das nutzte allerdings auch nichts mehr, das Thema war durch.
Die Europäische Bürgerinitiative, so schön sie grundsätzlich ist, hat also viele Schwachstellen. In ihrer heutigen Form ist sie weit davon entfernt, eine echte EU-weite Volksabstimmung zu sein. Insofern ist es erfreulich, dass die Kommission eine Reform angekündigt hat. Die Verordnung werde die Bürgerinitiative zugänglicher und weniger aufwendig machen und Organisatoren und Unterstützern die Handhabung erleichtern, heißt es in Brüssel dazu. „Unser Vorschlag zur Änderung der Verordnung wird es leichter machen, Initiativen auf den Weg zu bringen und zu unterstützen. Außerdem sollen sich junge Menschen künftig schon ab 16 beteiligen können“, sagte Timmermans.
Einfacher, zugänglicher, weniger aufwendig soll die EBI also werden. Gut. Um die Kernprobleme anzugehen fehlt aber das wichtigste Attribut: verbindlicher. Wenn es der Kommission ernst ist mit der direkten Demokratie, muss das Instrument so gestaltet werden, dass es auch politische Forderungen durchsetzbar macht, die nicht im Sinne der Kommission ausfallen. Andernfalls bleibt die EBI zahnlos.