In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion äußert sich die Bundesregierung zu einem illegalen Waffendeal mit Mexiko. Darin sieht sie kein Versagen der eigenen Kontrollen – obwohl das Geschäft offensichtlich ein Schwindel war.
Die G36 bringt die Bundesrepublik in Schwierigkeiten. 4700 Exemplare des schwarzen Sturmgewehrs, das von den deutschen Bundeswehrsoldaten geführt wird, sind nach Mexiko exportiert worden, und zwar in Regionen, in denen sie nicht sein dürften. Wie konnte das passieren?
In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hat die Bundesregierung sich nun ein weiteres Mal zu der Causa geäußert. Wie bereits in einer Antwort vom September betont sie, dass alle Prüfinstanzen für Waffenexporte korrekt eingehalten worden seien, es hätte keinen Anlass für Zweifel an dem Geschäft des Waffenproduzenten Heckler & Koch mit Mexiko gegeben. Doch seit Mai vergangenen Jahres stehen sechs ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens wegen des Handels mit Mexiko vor Gericht.
Seinen Ursprung hatte der Fall 2006, als Heckler & Koch ein Waffengeschäft mit der mexikanischen Regierung vereinbart hatten. 16 Lieferungen der deutschen Sturmgewehre sollten dorthin transportiert werden. Als Zielort tauchten im Kaufvertrag allerdings unter anderem die Staaten Jalisco, Chiapas und Chihuahua aus. Sie sind vom Auswärtigen Amt als gefährlich eingestuft. Dort muss davon ausgegangen werden, dass schwere Menschenrechtsverletzungen stattfinden, oft von sogar seitens der Polizei oder des Militärs. Das Auswärtige Amt meldete entsprechende Bedenken an. Daraufhin reichte Heckler & Koch eine überarbeitete Endverbleibserklärung ein, die bei allen Waffenexporte Pflicht ist. In der neuen Erklärung war keine Sprache mehr von jenen riskanten Staaten. Die Bundesregierung billigte daraufhin – scheinbar ohne weiter nachzufragen – das Geschäft.
Zwischen 2006 und 2009 wurden die Sturmgewehre nach Mexiko geliefert, sie gelangten auch in die Staaten, wo ihr Export verboten war. Heckler & Koch geben an, nichts vom Verbleib der Waffen in Mexiko gewusst zu haben. Wie aber spätere Recherchen von Journalisten zeigten, stimmt das nicht. Denn obwohl die Namen der betroffenen Staaten nicht in der überarbeiteten Endverbleibserklärung auftauchen, stehen sie noch im Kaufvertrag. Den hatte das Wirtschaftsministerium sich nicht vorlegen lassen. Es stellt sich die Frage: lag hier ein rein administrativer Fehler vor – oder sah die Bundesregierung bewusst über den offensichtlichen Täuschungsversuch hinweg?
Bundesregierung sah keinen Grund für Zweifel
In ihrer Antwort auf die Fragen der Linken gibt die Bundesregierung an, dass es keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Endverbleibserklärung Mexikos gegeben hätte. Das würde standardmäßig überprüft, die Vorlage einer überarbeiteten Fassung sei zu diesem Zeitpunkt plausibel gewesen, „sonst hätte die Bundesregierung die betreffende Genehmigung nicht erteilt.“ Für eine weitere Zusicherung Mexikos habe es keinen Grund gegeben.
Dennoch hat die Bundesregierung aus dem Fall Konsequenzen gezogen, heißt es in der Antwort. Die Regelungen für Kleinwaffenexporte seien verstärkt worden, außerdem gibt es jetzt die Möglichkeit, den Endverbleib von Kleinwaffen in Drittstaaten vor Ort zu überprüfen. Bisher war nur der weitere Export ausgeschlossen.
Ob die Regierung selber Fehler und Unregelmäßigkeiten bei der Genehmigungserteilung sieht, darauf antwortet der Bundestag nicht und verweist auf das laufende Strafverfahren vor dem Landgericht Stuttgart. Es sei „Sache der deutschen Gerichte“, diese Einschätzungen vorzunehmen und ihre Umstände aufzuarbeiten. Auch auf die Frage, ob die plötzliche Änderung der genannten Bundesstaaten in der damaligen Endverbleibserklärung nicht verdächtig gewesen sei und ob dementsprechend eine weitere Prüfung veranlasst worden war, schweigt sich die Regierung aus.
Einflussnahme auf Staatsbedienstete?
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft rücken darüber hinaus das Verhalten des Bundeswirtschaftsministeriums in ein fragwürdiges Licht. Offenbar warnte das Ministerium Heckler & Koch, dass die deutsche Botschaft in Mexiko Recherchen zu dem Fall begonnen hatte. Diese waren vom Auswärtigen Amt eingeleitet worden. Ob diese Art der Kommunikation mit angeklagten Unternehmen normal sei, fragt die Linke. Die Bundesregierung tut das ab: „Vertreter der Bundesregierung stehen aufgabenbedingt mit den Unternehmen der wehrtechnischen Industrie im regelmäßigen Austausch.“
Ein Prüfberichts der Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG führt zu Spekulationen, wie weit dieser Austausch ging. Interne Dokumente zeigen, dass Heckler & Koch im Jahr 2010 zwei Spenden an die Kreisverbände der Regierungsparteien FDP und CDU im Landkreis Rottweil und Tuttlinen in Baden-Württemberg tätigte, wo das Waffenunternehmen seinen Sitz hat. Dies könnte zumindest als Versuch gelesen werden, Einfluss auf Volker Kauder und Ernst Burgbacher zu nehmen, die beide diesem Wahlkreis entstammen. Burgbacher war zu der Zeit Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und hätte möglicherweise Einfluss auf die Genehmigung nehmen können.
Die Bundesregierung streitet das ab: Es gebe „keine Hinweise darauf, dass er [Burgbacher] unmittelbar auf Genehmigungsentscheidungen Einfluss genommen hat“. Ein Verfahren gegen das Unternehmen wegen Bestechung inländischer Amtsträger ist Anfang 2017 fallen gelassen worden.
Nicht beendet ist dagegen das Verfahren gegen die sechs Mitarbeiter von Heckler & Koch vor dem Landgericht Stuttgart. Der Waffenproduzent gibt sich einsichtig. Man habe Konsequenzen aus dem Fall gezogen, inzwischen werde nur noch in Länder exportiert, die nachvollziehbare Sicherheitskriterien erfüllen. „Heckler & Koch ist sich seiner gesellschaftlichen und rechtlichen Verantwortung bewusst.“